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Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Titel: Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)
Autoren: Marian Keyes
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ich plötzlich an einem Fluss. Das ist etwas Neues.
    »Laura, Laura, hier drüben, Laura!«
    Am anderen Ufer steht eine Reihe von Leuten, jung und alt, und sie lächeln und winken mir munter zu. Wer zum Teufel sind die denn jetzt? Als ich sie mir genauer anschaue, kommen mir ein paar bekannt vor; sie sehen aus wie mein Dad mit seiner Neigung zum Rundlich-Rötlichen. Bestimmt Verwandte. Und dann ist da auch noch Tante Irene, Mums Schwester, die gestorben ist, als ich noch ein Baby war. Ich erkenne sie von den Fotos. Und dann noch andere Doppelgänger meiner Mutter. Allem Anschein nach bin ich mit diesen Leuten verwandt.
    Das ganze Bild ist seltsam vertraut. Es sieht aus wie … hmm … es sieht genauso aus wie eine Familienhochzeit. Alle sind fröhlich und haben erhitzte Gesichter, als wären sie gerade in ihren feinen Hochzeitsklamotten zu den Tönen von »Let’s Twist Again« und »Sweet Caroline« durch einen schäbigen Ballsaal gewirbelt. Jetzt werden wir bestimmt jeden Moment zum Essen gerufen – garantiert gibt es zähes Hähnchen. Ich schaudere.
    Dann entdecke ich Old Granny Mac, grimmig und aufrecht auf
ihrem Stuhl. In der Hand hält sie ihren Schwarzdornstock, mit dem sie mich und Orla, als wir noch klein waren, öfter auf die Knöchel gehauen hat. Na, ich geh ganz bestimmt nirgendwohin, wo mich wieder jemand schlagen kann.
    »Steig aufs Floß, Laura!«, rufen sie. »Es ist da drüben, im Schilf.«
    Ich sehe hin. Das Floß ist ein lahmes, leck aussehendes Ding, eher eine Pritsche, es hat nicht mal ein Geländer. Nein, keine zehn Pferde bringen mich dazu, es zu benutzen. Obwohl ich wirklich tot zu sein scheine.
    »Nein!«, sage ich laut und meine Stimme hallt geradezu vom Himmel über mir wider. »Ich will nicht.«
    Ein Geschrei in der Art von: »Aber du musst, du bist dran! Deine Zeit ist abgelaufen!« erhebt sich vom anderen Ufer.
    »Das ist mir scheißegal«, antworte ich. »Ich will nicht.«
    Familie über mir, Familie hier unten. Ich sitze in der Falle.
     
    »… Herzfrequenz stabilisiert …«
    »Diesmal haben wir sie fast verloren.«
    »Aber sie ist eine echte Kämpfernatur.«
    »Ach ja? Das könnte die ganzen Blutergüsse erklären.«
     
    Fiona ist schon öfter da gewesen, aber ich habe sie kaum wahrgenommen. Diesmal kann ich sie klar und deutlich hören.
    »Laura«, sagt sie, »Laura, stirb bitte nicht, stirb nicht, es wird alles gut. Ich helfe dir.«
    Ich fühle ihre Verzweiflung. Sie hat schon lange den Verdacht gehabt. Sie hat nie direkt etwas gesagt, aber es gab jede Menge viel sagender Blicke und Andeutungen. Ich hätte es ihr erzählen sollen, aber irgendwie habe ich es nicht fertig gebracht. Es ging einfach nicht. Obwohl sie meine beste Freundin ist. Ich habe mich zu sehr geschämt, wissen Sie.
     
    Chris ist wieder da. Der angenehme Geruch und die leise, drängende Stimme dicht neben mir. »Laura, weißt du noch, wie ich mal in den Garten rausgeschaut und gesagt habe: ›Laura, sieh doch mal den wunderschönen roten Mohn‹? Aber das war kein Mohn, sondern bloß eine Chipstüte. Aber weil ich meine Brille nicht aufhatte, dachte ich, es wäre eine Mohnblume. Weißt du noch, wie wir gelacht haben?«
    Ja, Chris, das weiß ich noch. Und ich weiß auch, was als Nächstes passiert ist .
     
    Dann taucht mein Boss, Brian der Sklaventreiber, auf. Chris bedankt sich bei ihm, dass er gekommen ist. Anscheinend bin ich bei der Arbeit sehr gewissenhaft; unmissverständlich dringt der Vorwurf zu mir durch, wie viele Leute ich im Stich lasse, weil ich die Frechheit besitze, hier mit einer lebensgefährlichen Kopfverletzung im Bett zu liegen.
    »Sind Sie sicher, dass es okay ist, von der Arbeit zu reden?«, fragt Brian, und ein Chor von Stimmen beteuert ihm, dass es erwiesenermaßen das Allerbeste für mich ist.
    Eine massive, verschwitzte Präsenz nähert sich meinem Bett. Brian fühlt sich unbehaglich, äußerst unbehaglich, weil er mit dem verschlossenen Gesicht einer Frau reden soll, die tief im Koma liegt. Er wäre garantiert kein guter Moderator für Kindersendungen, denn die müssen überzeugende Gespräche mit Karotten und Fellknäueln und allen möglichen anderen unbelebten Gegenständen führen.
    Nimm ihre Hand, drängt ihn jemand. Vorsichtig kommt er der Aufforderung nach. Mir gefällt das Koma ja eigentlich ziemlich gut, aber dass mir mein blöder Chef, der sämtliche Lorbeeren für meine Arbeit für sich beansprucht, die Hand hält, das ist ein bisschen viel.
    »Hallo, Laura, ich weiß
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