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PR2607-Der Fimbul-Impuls

PR2607-Der Fimbul-Impuls

Titel: PR2607-Der Fimbul-Impuls
Autoren: Wim Vandemaan
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Hosentasche und tupfte sich die Stirn ab. Bull bemerkte das eingestickte Monogramm.
    »SAF?«, las er. »Wem hast du denn dieses Tuch entwendet? Doch nicht etwa die Trophäe einer weiblichen Bekanntschaft?«
    »Es gehört mir«, sagte Adams knapp, räusperte sich und steckte das Tuch zurück.
    Bull fragte: »Du wirst doch nicht auf deine alten Tage Geheimnisse vor mir haben wollen?«
    »Auf meine alten Tage?«, fragte Adams, schieres Erstaunen. Er grinste über das ganze Gesicht. »Nicht doch auf meine alten Tage. Solche Geheimnisse habe ich immer schon.«
    Bull schaute ihn forschend an.
    »Manchmal«, sagte Adams, »denke ich an abwesende Freunde.«
    Es klang wie eine Ankündigung – aber wovon? Für einem Moment war ihm, als ob Adams ihm zuzwinkerte, mit seinen Augen, die so verwaschen blau waren wie der Himmel, wenn Kinder ihn mit Wasserfarben malten. Vielleicht hatte er sich getäuscht.
    Abwesende Freunde.
    Bull musste an Perry denken, an Gucky, an Atlan, Michael, an Julian. Und auch an Fran.
    »Ja. Ich auch. – Gut«, sagte er. »Ich mache mich dann auf den Weg.«
    »Grüß mir die Sonne«, sagte Adams.
    Möglicherweise war das jetzt ein Scherz, aber Bull sah ihm ernst in die Augen, und sie nickten einander ernst zu.

3.
    Terrania
    10. September 1496 NGZ
     
    Shamsur Routh hatte bis spät in die Nacht nach seiner Tochter gesucht, die aus der Eric-Manoli-Klinik – ja, was, wenn nicht geflohen war? Geflohen vor ihm?
    Irgendwann hatte er sich irgendwie in seine Wohnung im 25. Stock der Wohnanlage Gee Ghy geschleppt, war ins Bett gefallen und hatte geschlafen. Ein diffuser, leerer Traum von einer leeren Landschaft. Nicht einmal tote Kraniche hatte er gesehen wie an den Tagen zuvor. Ein Niemandsland.
    Erst am späten Vormittag war er aufgestanden und hatte seine Holo-Nachrichten gesichtet: eine kurze, aufrichtig besorgt klingende Botschaft von Phaemonoe Eghoo und ein befremdlich offizielles Holo vom SIN-TC, dem Solaren Informations-Netz Terrania City, für das er seit einigen Jahren hauptsächlich arbeitete.
    Er ließ alles unbeantwortet und machte sich, wie er war, wieder auf die Suche nach Anicee. Seine Kleidung meldete, dass ihr Autohygieneprogramm dringend eine Nachfüllung brauchte oder wenigstens eine Regenerationsphase. Routh stellte die Kleidung stumm.
    Er entschied sich, in die Eric-Manoli-Klinik zu gehen.
    Alle Ärzte und Medoroboter hatten mit Verletzten überreichlich zu tun. Die katastrophalen Phänomene hatten nicht nur physische Traumata bewirkt, sondern psychische Schocks bei vielen Terranern ausgelöst. Menschen konnten ihr Dasein auch in den schrecklichsten Umfeldern sortieren und eine geistige Ordnung aufrechterhalten, wenn sie Ruhe- und Rückzugsmöglichkeiten hatten. Aber die physikalischen Irritationen, wie sie seit der Versetzung des Solsystems auftraten, nahmen ihnen derartige Refugien.
    Die Gravospaltung, die Gravoerratik, das Nirwana-Phänomen – alles konnte in der eigenen Wohnung, sogar im eigenen Körper zuschlagen. Die wissenschaftlichen Namen klangen harmlos. Aber wenn auch nur ein korngroßer Knochenpartikel von der Gravoerratik erfasst, aus dem Skelettverbund gerissen wurde und kreuz oder quer durch den Körper schoss, konnte er dieselben Verletzungen bewirken wie ein Projektil.
    Sämtliche Kliniken mussten die Verlustlisten der Servos mit den eigenen Datensätzen der Behandelten abgleichen. Längst war klar, dass viele Menschen vom Nirwana-Phänomen erfasst und gestorben waren. Systemweit betrachtet gingen die Zahlen in die Hunderttausende.
    Die menschlichen Ärzte waren ebenso im Dauereinsatz wie die Medoroboter. Mangelware waren inzwischen besonders jene Betreuungsroboter, die mit Biomolmasken wie Menschen aussahen und den Traumatisierten das Gefühl menschlicher Gegenwart geben sollten – was den Heilprozess offenbar beförderte.
    Uralte Instinkte, unüberschreibbar von der Zivilisation, dachte Routh.
    Er hatte an der Rezeption gebeten, mit der zuständigen Medikerin sprechen zu können. So erfuhr er endlich auch den Namen der Epsalerin, die seine Tochter durch die kritische Phase der Therapie geführt hatte: Lilou Phyrting.
    Erst gegen zehn Uhr abends hatte sie ein paar Minuten Zeit für ihn. Dass Anicee die Klinik verlassen hatte, war offenbar nicht zu verhindern gewesen. Schließlich war die am 9. Juli 1450 NGZ Geborene mit ihren 19 Jahren längst volljährig und autonom.
    Lilou Phyrting hielt einen Keramikbecher mit einem leicht dampfenden, sauer riechenden Getränk in
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