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PR2606-Unter dem Stahlschirm

PR2606-Unter dem Stahlschirm

Titel: PR2606-Unter dem Stahlschirm
Autoren: Hubert Haensel
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SERUNS nicht geschlossen, um die Reserven zu schonen, und das galt auch für die anderen. Mit der linken Hand wischte sie sich über die Stirn.
    Eine jähe Aufwärtsbewegung erfasste das Schiff. Jenke sah es, weil der Dunst lichter wurde und mittlerweile fahle Konturen die Oberfläche der Brücke prägten. Seen, Vegetationsgebiete, es war schwierig zu erkennen, um was es sich wirklich handelte, aber die erste trübe Helligkeit des neuen Morgens vertrieb unaufhaltsam die Schwärze der Nacht.
    Die Wiedergabe der Hologalerie schien sich zu überschlagen, dann verdrängte der Weltraum das Bild. Der Käfer war ins Taumeln geraten, kippte zur Seite und überschlug sich in einer schnellen Bewegung.
    Zosimos Aufatmen verriet, dass er das Schiff wieder unter Kontrolle hatte. Von irgendwoher zuckte ein Lichtblitz über Holodarstellung, als hätte die Optik den ersten Hauch der aufgehenden Sonne erhascht, dann geriet die Brücke wieder in den Sichtbereich.
    »Ortung?«, fragte Jenke.
    Smith hatte nach der Ruhepause mit dem Xenobiologen die Plätze getauscht. Apatou Bousset reagierte mit einer etwas hilflosen Geste, indem er für einen Moment beide Arme hob. Das war nicht gerade eine gebräuchliche Meldung. Jenke sah darüber hinweg, denn der Übergangsbereich schien tatsächlich überwunden zu sein.
    Die letzten Nebelschwaden verwehten.
    Helligkeit leckte um den Rand der Brücke. Wennedent, wie die Favadarei ihr Muttergestirn zur Tageszeit nannten, ging auf. Noch war es nur das erste zarte Licht, das den Terminator vor sich herschob, aber schon lugte der Rand der weißen Sonne hinter der Brücke hervor.
    Es tat gut, die Sonne zu sehen. Jenke atmete auf. Die Helligkeit machte vieles erträglicher.
    Schlagartig wechselte das Bild. Egal, ob sie Ausschnitte der Brücke oder den Weltraum gezeigt hatten, erschien ein verschwommenes undeutliches Etwas, das als Symbol zu erkennen war.
    Eine weiße Hantel.
    »Überlagerung auf Normalfrequenz!«, rief Pia Aftanasia von der Funkstation. »Schwankende Eingangsleistung, den Ursprung kann ich nicht anmessen, aber er ...«
    Eine Stimme erklang aus den Lautsprechern.
    Es war keine menschliche Stimme. Allerdings hätte Jenke nicht zu sagen vermocht, ob sie künstlichen Ursprungs war.
    Die Stimme sagte etwas, das die Irmdomerin nicht verstand. Unverkennbar war jedoch der bellende, befehlende Tonfall.
    Der Translator reagierte mit einer winzigen Verzögerung. »Nennt das Wort!«
    »Ihr werdet einem Torwächter begegnen, der ein Wort von euch verlangt. Es darf nicht falsch ausgesprochen werden.« Jenke Schousboe hatte den Gedanken an den Wächter verdrängt. Zumindest hatte sie, nachdem der SKARABÄUS die wechselnden Gravitationsvektoren überwunden hatte, nicht mehr mit einer Begegnung gerechnet. Der Weg zur Brücke zwischen den Planeten schien frei gewesen zu sein. Nun wusste sie, dass der Schein getrogen hatte.
    »Nennt das Wort!«, verlangte die Stimme ein zweites Mal.
    Jenke fuhr herum. Ihr Blick suchte den Maschinenbauer der Favadarei. Aiden Cranstoun hatte Patoshin das Kodewort mehrfach wiederholen lassen, so lange, bis er mit der Lautfolge und der Betonung zufrieden gewesen war. So und nicht anders musste es ausgesprochen werden, damit die Brücke betreten werden durfte.
    Patoshins Sinneskranz schimmerte in tiefem Violett. Jenke identifizierte die Farbe als äußeres Anzeichen des In-sich-gekehrt-Seins, eine abweisende Haltung. Für einen Moment fühlte sie Enttäuschung in sich aufsteigen, sogar Zorn. Sie verstand nicht, warum Patoshin derart abweisend reagierte.
    Wirklich noch Patoshin, entsprechend der Diktion des Nacht-Famund? Oder schon Shimco?
    Gar keine Anrede, erkannte sie erschrocken. Die Nacht war vorüber, aber der neue Tag noch nicht geboren. Dies war die Grade der Stille der Favadarei, und das Sprechsegel zu blähen wäre ein Tabubruch gewesen.
    »Die letzte Aufforderung!«, hörte sie die Stimme sagen. Der Klang war unverändert geblieben, dennoch spürte sie die Drohung geradezu körperlich. »Ich warte auf das Wort!«
    »Shimco!«, herrschte sie den Favadarei an. »Ich weiß, dass wir ein Tabu brechen – aber soll die Expedition deshalb scheitern? Bist du lieber tot, als gegen eine eigenwillige Regelung zu verstoßen?«
    Der Maschinenbauer reagierte nicht. Mit keiner Regung gab er zu erkennen, dass er überhaupt verstanden hatte, was sie von ihm erwartete. Die Zeit der Dämmerung war die Zeit des Schweigens. Erst sobald Wennedent in voller Größe über den Horizont
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