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PR2606-Unter dem Stahlschirm

PR2606-Unter dem Stahlschirm

Titel: PR2606-Unter dem Stahlschirm
Autoren: Hubert Haensel
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erst im Brückenbereich flog.
    Nachdenklich blickte Jenke von einem zum anderen. Die Besatzung verließ sich auf sie und ihre Erfahrung. Nicht umsonst war sie Stellvertretende Kommandantin der BOMBAY geworden. Eine solche Position an Bord eines eineinhalb Kilometer durchmessenden EXPLORERS erhielt nur, wer zu jeder Zeit jede Situation im Griff hatte. Die Auswahlverfahren in der Flotte waren seit Jahren entsprechend.
    Nichts habe ich im Griff, erkannte sie bitter. Wir sind auf uns allein gestellt, auf einem Flug ins Ungewisse, und seit Zacharys Tod ohne Kontakt zum Mutterschiff.
    Gab es wirklich keine Möglichkeit, Informationen zu übermitteln und sich abzustimmen? Sie zweifelte nicht daran, dass Oberst Nuruzzaman mit der EX-33 so nah wie eben vertretbar an der Planetenhantel stand. Natürlich war es aus dem fernen Orbit unmöglich, den SKARABÄUS zu entdecken, aber wenn sie die Scheinwerferbatterien einsetzte und Morsezeichen gab ...
    Die wogenden Dunstschleier in einigen Bereichen der Hologalerie rissen auf. Da war keine gewaltige düstere Wand mehr, nur noch schroffe Eiswüste bis zum fernen Horizont.
    Jenke kniff die Augen zusammen.
    Das Trugbild hatte sich nicht verändert, als sie wieder hinschaute.
    »Sie ist weg!«, sagte Alban Dodd hinter ihr. »Aber ... so ein Objekt verschwindet nicht einfach. Gibt es Anzeichen für einen Deflektorschirm?«
    Die Expeditions-Kommandantin antwortete nicht. Kurs, Flughöhe – weiterhin keine brauchbaren Anzeigen. Aber die Verlaufskontrolle verriet ihr, dass ihr »Käfer« unbeirrbar geradeaus kroch, ohne ein paar Meter nach rechts oder links abgewichen zu sein. Vor ihr gab es dennoch nur die Winterstummheit.
    Jenke griff nach den banalen Eingabefeldern. Keine sich den jeweiligen Gegebenheiten anpassende Lichttastatur, keine Sprachsteuerung und unmittelbare Kommunikation mit der Bordpositronik, wie es usus war. Die auf niedrigem Stand justierte Ausrüstung der VAHANA war ohnehin archaisch.
    Bis auf zwei der kleineren Bildschirmsegmente ließ Jenke die optische Wiedergabe durch die Heckerfassung ersetzen. Sie sah wieder dichten Dunst, durch den hier und da düsteres Land schimmerte. Land, das scheinbar senkrecht hinter dem SKARABÄUS aufwuchs.
    »Also doch ...« Sie zog den »Käfer« in einer sanften Kurve herum. »Es scheint nicht so einfach zu sein, auf die Brücke überzuwechseln. Cyrus, das mit den Verwirbelungen war gar kein schlechter Vergleich.«
    Cyrus Smith war nur einen Meter sechzig groß, und was ihm an Größe fehlte, machte sein Wohlstandsbauch wett. Der Mann schaute sie nachdenklich an. Mit einer Hand wühlte er durch sein ohnehin als unfrisierbar geltendes Haar. Jenke verkniff sich den Anflug eines Lächelns. Cyrus wirkte auf sie geradezu erschrocken. Er hatte nicht erwartet, dass seine Theorie zutraf, vor allem schien er sie nicht zu Ende gedacht zu haben.
    »Ich spreche von Schwerkraftverwirbelungen«, stellte sie klar. »Wenn mich nicht alles täuscht, gibt es im Übergangsbereich zur Brücke unterschiedliche, teils sogar gegenläufige Schwerkraftvektoren. Solange die Sicht so schlecht bleibt, merken wir gar nicht, wenn wir vom Kurs abkommen.«
    Nachdenklich schaute sie die Favadarei an. »Finukuls, wenn jemand alles über Shath wissen kann, dann du.«
    Der Shathologe krümmte seinen Oberkörper. »Das Wissen der Favadarei ist bescheiden, Jenke Schousboe«, gestand er. »Wenn du aber alle Spekulationen und Hypothesen hören willst, die über Fermushath existieren ...«
    »Spekulationen zu diesem Nebel!«
    Finukuls Sprechsegel produzierte flappende Geräusche, die entfernt einem verhaltenen menschlichen Lachen glichen.
    »Gesumme, Legenden, deren Ursprung im Dunkel liegt, und ebenso immer wieder ausgeschmückte und veränderte Geschichten. Wir werden einen Tag und eine Nacht lang ...«
    »Was ist wirklich wichtig?«, fragte Jenke ungeduldig. Zugleich wurde ihr bewusst, was sie da verlangte. Aus einem Körnchen Wahrheit konnten lange Erzählungen geworden sein, die das Wesentliche längst unter sich begraben hatten.
    »Wanderer, der du das eisige Ende der Welt erreichst, fürchte nicht den Atem der Zeit«, deklamierte der Shathologe. »Sein Schleier bedeckte deine Begierde, du aber wirst ihn zerreißen, bevor er dich zerreißt, und das Land deiner Sehnsucht erblicken. Fürchte nicht, in die Irre zu laufen, nicht einmal, wenn der Himmel über deinen Sinnen zu deinen Krallen versinkt.«
    »Das ist es!«, rief Jenke ungewollt heftig. »Schleier als Umschreibung
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