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PR2604-Die Stunde der Auguren

PR2604-Die Stunde der Auguren

Titel: PR2604-Die Stunde der Auguren
Autoren: Wim Vandemaan
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oder Kommentare – ein flittriges Eigenschaftswort hier, eine flapsige Nuance dort; eine Prise Dynamik in seine bedachtsamen Sätze. Es waren nur Kleinigkeiten, die sie manipulierte, aber schon hörte sich der Routh im Info-Holo an wie ein jugendlicher Rädelsführer: beschwingt und angriffslustig.
    »Du hättest wenigstens darauf achten können, dass ich mit dem, was du mich sagen lässt, lippensynchron bleibe«, hatte er sich einmal beschwert.
    »Synchronisier deine Lippen mit meinen«, hatte sie erwidert und explosiv gelacht. So lachte sie manchmal: explosiv, dass alle den Kopf nach ihr umdrehen mussten, im Café, im Restaurant oder eben vor den Augen und Ohren der anderen Redaktionsmitglieder des Solaren Informations-Netzwerkes Terrania City. Gerade so, als führte sie mit ihm eine erotisch aufwühlende Beziehung, die sie beide zu Opfern der Fleischeslust machten, an denen ein öffentliches Interesse bestehen sollte.
    »Was soll ich mit einem Trauminduktor?«, hatte er sie gefragt.
    »Du sollst gefälligst von mir träumen. Ohne Unterlass.«
    Von ihr, Phaemonoe Eghoo, der in Terrania weltberühmten Redakteurin des SIN-TC.
    Es gab eine Frau, von der er geträumt hatte, nicht auf ihr Geheiß, sondern einfach so.
    Einfach so. Lange her.
    Vielleicht argwöhnte Phaemonoe ja, dass es in ihrem Fall tatsächlich eines Trauminduktors bedurfte.
    Er träumte ja tatsächlich nicht von ihr. Stattdessen träumte er von einem Strand voller toter Kraniche, die ihm die Nacht in den Weg geworfen hatte.
    In den Weg wohin?
    Er bemerkte, dass er noch nicht einen Schritt getan hatte. Wieso hatte er sich so im Vergangenen verloren?
    Phaemonoe ...
    Er mochte Phaemonoe durchaus, ihr schweres blondes Haar, ihr Haifischlachen mit den extrem hoch gezogenen Mundwinkeln und den Zähnen, weiß wie eine Waffe.
    Er mochte sie ohne ihr Make-up sogar lieber als mit. Ihre Tiefencreme und die künstlichen Pheromone verliehen ihr eine Jugend, die sie längst passiert hatte, und sie gaben ihm bei ihren durchaus seltenen Treffs das Gefühl, die Nacht mit einer Freundin seiner Tochter zu verbringen: einer eben 20-Jährigen.
    Er war knapp über 60 Jahre alt. Phaemonoe 50. Er ein gelegentlicher Korrespondent, sie eine Redakteurin beim SIN-TC. Eine Redakteurin? Darauf ein Haifischlächeln: die Redakteurin überhaupt. Eine Institution. Das blonde Wasserzeichen des Senders.
    Werd endlich wach!
    Die Wände seines Schlafzimmers waren noch auf »lichtundurchlässig« geschaltet. Nur das selbst leuchtende Wandbild spendete ein wenig diffuse Helligkeit. Die holografische Darstellung zeigte eine unbestimmte Unterwasserlandschaft, tiefblau, mit einigen goldgetupften Fischen, die langsam im Uhrzeigersinn über die Wände zogen. Tiefrote Korallen. Die Becher der Polypen nickten fast unmerklich in der Strömung.
    Routh fühlte sich plötzlich und für einen Moment unsicher auf den Beinen, gerade so, als ob Wellen von Erschütterungen durch seine Wohnung liefen.
    Ein Erdbeben!
    Er musste selbst lachen. Schon möglich. Aber wenn die Lithosphärentechniker nicht in einen Streik getreten waren und ihren seismischen Maschinenpark lahmgelegt hatten, der in der Tiefe der Erde gegen große Erschütterungen vorsorgte, war die Wahrscheinlichkeit, auf dem Weg zum Bad über einige weitere tote Kraniche zu stolpern, größer, als dass tatsächlich ein Erdbeben Terrania erschütterte.
    »Wünschst du Kunstlicht – oder soll ich die Wand öffnen?«, fragte der Wohnungsservo.
    Routh überlegte.
    Sein Schlafraum hatte einen ovalen Grundriss; auch sein Bett war oval, eine hochwertige Pneumoliege aus pataralonischer Produktion. Die Liege befand sich ziemlich genau inmitten des Zimmers, der Kopfteil bei dem einen, das Fußende bei dem anderen Brennpunkt. So viel Feng Shui musste sein.
    Eine der Längsseiten des Schlafraums ließ sich transparent schalten und erlaubte einen Ausblick auf Neu-Alashan.
    Einen wirklichen Ausblick – kein Holo.
    Routh war im Jahr 1406 NGZ geboren worden, über ein Jahrhundert, nachdem das ursprüngliche Alashan nach Thorrim in der Galaxis DaGlausch versetzt worden war. Lange Zeit war das Alashan-Reservat mit der Dscherro-Gedenkstätte und dem neuen TLD-Tower ein stadtnahes Naturschutzgebiet gewesen, geprägt von blassgrünen Klaaf-Hecken und kugelkronigen Leva-Bäumen von Thorrim.
    Mit dem neuen Alashan hatte Matis Villa, der damalige Bürgermeister von Terrania, das alte nicht nachbauen wollen: Man soll nie zurückschauen, leuchtende Zukunft, zugleich die
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