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PR2604-Die Stunde der Auguren

PR2604-Die Stunde der Auguren

Titel: PR2604-Die Stunde der Auguren
Autoren: Wim Vandemaan
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Terranerin. Das können wir uns jetzt nicht erlauben.«
    Bullys Stimme war ganz nah bei ihr. An ihrem Ohr. Sie spürte seinen Atem. Er roch nach Minze. »Bleib bei mir«, sagte der Minzeatem.
    Jemand rief. War das Edorta Asteasu? Vielleicht von Strattkowitz? Bulls Ordonnanzleutnant Lech Hallon oder Attilar Leccore, der Chef des Terranischen Liga-Dienstes? Ein Raum voller unbestimmbarer Stimmen. Fast hätte sie gelacht.
    Was rief die Stimme?
    Sie lauschte, während Bull sie hielt und leicht an den Schultern schüttelte.
    Aber die ferne Stimme war nur ein akustischer Fleck, der zunehmend verwässerte, während die Dämmerung Einzug hielt in ihren Geist.
    Das geht nicht, dachte Ybarri. Das ist nicht fair. Sie waren gewählt, um die Lage zu meistern. Die Menschen durften von ihnen mehr erwarten als Ohnmacht und Besinnungslosigkeit.
    Sie hatten die Technik. Sie hatten Erfahrung. Sie verfügten über alle Mittel. Sie waren doch in der Solaren Residenz.
    Sie befanden sich in der Stahlorchidee, dem Machtzentrum der Liga Freier Terraner.
    Warum war ihnen alles entglitten? Was hatte sie so entmachtet?
    Dann wurde es wieder dunkel um sie.
     
    *
     
    Absolute Finsternis.
    Schweigen.
     

Ein Traum von Kranichen
     
    Es war ein zähes Erwachen. Shamsur Routh hörte sich wie unter Schmerzen seufzen. Die Traumbilder hingen ihm nach. Immer noch meinte er, den Strand schmerzhaft unter den Fußsohlen zu spüren, die Splitter der Muscheln, die rauen Kanten der Steine.
    Was für ein undurchschaubarer Traum! Es ärgerte Routh, dass er ihn nicht abschütteln konnte, sondern der Nachhall zäh wie Teer in seinen Gedanken klebte. Warum hatte er in diesem Traum eigentlich so schnell laufen müssen? War er auf der Flucht gewesen? Nein. Hatte er nicht versucht, jemanden zu erreichen? Aber wen?
    Jedenfalls war er beim Laufen über einen toten Kranich gestolpert. Die schwarzen Augen des Vogels blind und offen. Die Beine ausgestreckt, der lange Hals verdreht. Routh sah den Sprung in der federlosen Kopfplatte des Vogels. Der schlanke Keil des Schnabels aufgesperrt. Dunkle, sämige Flecken wie von Öl auf dem schiefergrauen Gefieder. Das Tier hatte die Schwingen ausgebreitet, ganz so, als würde er im Tod noch fliegen.
    Totenflug und nirgendhin, dachte er. Oder erinnerte er sich nur daran, diese Worte im Traum gedacht zu haben?
    Routh roch immer noch das ätzende Aroma des Kadavers, Phosphor und Harn. Dazu der bittere Wind, der über den Goshun-See strich.
    Routh hatte sich auf die Hände gestützt, die Muschelsplitter schnitten ein, die Steine. Er hatte sich aufgerichtet, über den See geblickt: alles schwarz, als wäre die Nacht über dem Wasser festgefroren.
    Wo waren die Gläsernen Fähren, wo der Antares Pier mit dem großen, achtstöckigen Hufeisen des Restaurants Zum Gouldschen Gürtel an seinem Ende? Die Skyline der Antares Road? Kein Licht, kein Schimmer. Er sah es nicht, wusste aber, wie man überhaupt nur in Träumen etwas weiß, dass der See kein jenseitiges Ufer mehr hatte, sich bis ins Uferlose ausgedehnt hatte, groß und schwarz genug, den Himmel aller Welten zu spiegeln.
    Auch der Himmel über dem Goshun-See war strukturlos und schwarz. Ein Schild aus kaltem, uraltem Eisen.
    Routh war in diesem Traum weitergegangen, mit weit ausholenden, fast schwebenden Schritten, um die Berührung mit dem Muschelschutt zu vermeiden, den scharfkantigen Kieseln. Trotzdem war er wieder über einen toten Kranich gestolpert.
    Merkwürdig.
    Was hatten diese toten Kraniche gegen ihn?
    Er fluchte und schaffte es damit endlich, die Beine aus dem Bett zu schwingen. Die Füße berührten den Boden, die kühlen Holzbohlen. Langsam stemmte er sich hoch.
    Der Schlaf hatte ihn weniger erfrischt als erschöpft.
    Die Schuld seines wirren Traumes.
    Vielleicht sollte er doch diese kleine Investition wagen und einen Trauminduktor kaufen. Phaemonoe schwor darauf. Diese biopositronischen Maschinchen, denen man das Traumthema nennen konnte, bestimmte Szenarien, Figuren. Sogar Speisfolgen und Musik. Und die Maschinchen griffen über das feine goldene Gespinst der Traumhauben ein. Sie bedienten sich aus dem Gedächtnis der Schläfer; sie fahndeten nach Wünschen und Sehnsüchten und erfüllten sie in idyllischen Szenarien.
    Kurz: Sie verwandelten alles Begehren in Kitsch.
    Aber Phaemonoe wollte jung bleiben und schwor auf allerlei. Worauf die Jungen eben schworen. Und die Jugend von Terrania schwor zurzeit auf Trauminduktoren.
    Hin und wieder redigierte sie seine Berichte
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