Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PR2603-Die instabile Welt

PR2603-Die instabile Welt

Titel: PR2603-Die instabile Welt
Autoren: Michael Marcus Thurner
Vom Netzwerk:
Meisterwerk, sage ich dir! Fünf Stunden perfekt monotones Körperrülpsen, eingebettet in konvulsivisch-synchrone Zuckungsübungen, die den beiden alles abverlangen. Wenn du sie bloß sehen und ihre Leidenschaft spüren könntest ...«
    Sie schwiegen eine Weile und starrten ins Leere, Mensch wie Todringer.
    »Ich denke, dass unsere Geschmäcker sehr, sehr verschieden sind«, sagte Neroverde dann und nahm einen weiteren Schluck vom Ultra-Absinth.
    »Das sollte uns nicht davon abhalten, voneinander zu lernen.«
    »Ganz richtig.« Sie tätschelte die raue Haut des Todringers hinter dem Augenkranz. »Machen wir uns auf den Weg. Sehen wir uns in der CHISHOLM um.«
    »Wenn du meinst ...«
    Heatha Neroverde ignorierte den resignativen Unterton, der selbst in der nüchternen Übersetzung des Translators hör- und fühlbar war. Sie war für den Todringer verantwortlich, und sie würde alle Mittel ausschöpfen, um ihn aus seinem Jammertal zu befreien.
     
    *
     
    Wo immer sie auftauchten, war das ungleiche Paar bald von Neugierigen eingekreist. Menschen, Arkoniden, Blues, Zaliter, Ertruser, Tefroder, Stardust-Terraner – sie alle wollten den Todringer kennenlernen und mehr über ihn erfahren.
    Neroverde hatte Mühe, sich all der Neugierigen zu erwehren. Mitunter bedrängten sie Awkurow zu sehr und brachten ihn in Verlegenheit. Schwebekameras des Bordsenders hefteten sich an seine »Fersen« und bestürmten ihn mit Fragen.
    »Schluss jetzt!«, rief Neroverde und schob sich vor den irritiert wirkenden Awkurow. »Lasst uns in Ruhe! Mein Begleiter ist der offizielle Vertreter des Volks der Todringer. Wenn man es genau nimmt, hat er Diplomatenstatus.«
    Diplomatenstatus. Das war das Zauberwort!
    »Na also, geht doch!«, murmelte Neroverde, während sie ihren Weg ungestört fortsetzten.
    »Wie bitte?«
    »Es ist nichts, Awkurow.«
    »Ihr Menschen redet oft, ohne etwas zu sagen.«
    »Das ist eine unserer Stärken«, gab Neroverde unumwunden zu.
    Schweigend ging es weiter. Vorbei an den Bade- und Reinigungszentren, dem Botanischen Garten, Gastronomiebetrieben, einer Nachtclub-Installation, den Holografie-Museen, Ausstellungsräumlichkeiten der an Bord tätigen Künstler, virtuellen Erholungslandschaften, dem Studio des Bordfunks, dem Kino und vielen leer stehenden Hallen, die je nach Bedarf binnen weniger Stunden für verschiedenste Zwecke umgebaut werden konnten.
    »Das alles ist beeindruckend«, meinte Awkurow. »In meiner Siedlung gibt es nicht ausreichend Platz für Freizeitanlagen wie diese hier.« Die stark ausgeprägte Muskulatur seines Raupenkörpers kontrahierte gut sichtbar. Er schrumpfte auf eine Länge von etwa 1,30 Meter. »Aber ich sehe kaum jemanden, der all diese Möglichkeiten nutzt.«
    »Wir haben derzeit andere Sorgen. Vordringlich geht es darum, die Reparaturen an den technischen Anlagen abzuschließen. Wer kann, hilft bei den Arbeiten.«
    Ungewohnte Geräusche drangen vom Ende jenes breiten Ganges zu ihnen, den sie sich entlangbewegten.
    »Was ist das?«, fragte Awkurow. Er wirkte irritiert, fast verängstigt.
    »Wir nähern uns den Stallungen. Hier sind die Polo-Pferde unseres Bordarztes untergebracht.« Neroverde beschrieb ihrem Schutzbefohlenen die Funktion von Reittieren und redete ihm den Gedanken aus, dass »man das gute Fleisch doch auch verzehren könnte«.
    Awkurow richtete sich mithilfe seines Exoskeletts auf und begutachtete die Pferde aus uralten Zuchtlinien.
    Neroverde wusste, dass die Tiere sündteure Spitzenresultate moderner Zuchttechnik waren. Sie vollbrachten phantastische Leistungen im Sprint- wie im Ausdauerbereich, und sie folgten den winzigsten Gesten ihrer Zureiter. Selbst hätte sie wahrscheinlich keinen Araber von einem Shetland-Pony unterscheiden können.
    »Pic Lershimon ist ein leidenschaftlicher Arzt – und ein ebenso begeisterter Pferdenarr.«
    Neroverde lockte eine der Stuten mit der offenen Hand. Das Tier gab sich misstrauisch und wich zu ihrer Enttäuschung tänzelnd zurück.
    »Ihr habt seltsame Sitten.« Awkurow schüttelte seinen Leib. »Ich verstehe nicht, was es für einen Sinn hat, auf einem dieser Pferde sitzend einem Ball hinterherzuhetzen, um ihn zwischen zwei Stangen zu treiben.«
    »Für manche Dinge fehlt auch mir das Verständnis«, sagte Neroverde. »Wenn du dich darüber mit Pic Lershimon unterhalten möchtest ...?«
    »Sollte sich die Gelegenheit ergeben, mich mit eurem Mediker zu unterhalten, werde ich gewiss medizinische Themen ansprechen. Eine Unterhaltung
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher