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PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

Titel: PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht
Autoren: Oliver Plaschka
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zu mir um. »Bald, Herr«, sagt er zum Abschied. Seine Nickhäute gleiten blitzschnell über die Augen: ein wacher Drache, der auf sein Opfer wartet. »Bald schon wirst du deine Heimat wiedersehen.«

21.
    Ihin da Achran
     
    Nertan da Hindur war zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen. Entgegen ihren Befehlen, wie die Rudergängerin nicht ohne eine Spur von Tadel feststellte. Zu seiner Verteidigung führte der alte Arkonide an, er habe laut und deutlich einen Hilferuf von ihr empfangen und Befehl erhalten, sich nahe der Backbordseite der ORESTOS bereitzuhalten. Die Tatsache, dass sie nie einen solchen Ruf abgeschickt hatte, brachte ihn nicht von dieser Version der Geschichte ab.
    Genauso rätselhaft war die fatale Fehlfunktion – der unerklärliche Verrat – der Roboter. Hatte ein Virus ihr System befallen? Eine fremde Macht die Kontrolle über sie erlangt? Doch wer sollte das gewesen sein?
    Die Krähe hatte eine ziemlich klare Meinung dazu – doch all ihre Mutmaßungen drehten sich im Kreis.
    Natürlich war der Lotse nicht im Mindesten von alldem überrascht: Alles in seiner Welt ließ sich mit dem Wirken von Teufeln oder Göttern erklären. Die Teufel hatten Besitz von den Robots ergriffen, so wie zuvor von dem Schiff, und die Götter hatten sie im letzten Moment gerettet. Er tat, als wäre es von vornherein sonnenklar gewesen, dass die Rettung nur hundert Meter vor der Schleuse auf sie wartete. Verstört hatte ihn lediglich, dass es so lange gedauert hatte, bis Anetis sich seiner treuen Diener entsann. Die Frage, weshalb sieben Besatzungsmitglieder und der unglückliche Missk erst den Tod finden mussten, bis sein Gott ihm wieder ein offenes Ohr schenkte, tat er mit einem ernsten Blick über ihre Schulter ins Nichts und einem Satz über die Unergründlichkeit der göttlichen Wege ab, für den sie ihm den Kopf hätte abreißen können.
    Doch er und sein Starrsinn hatten ihr und Thomases das Leben gerettet. Das war ihr bewusst, während sie die Trauerfeier für die Gefallenen im kleinen Kreis abhielten und ihre Gebete in die Nacht hinaussprachen. Sein Starrsinn und die Treue ihres Adjutanten.
    Nertan da Hindur war einmal rechtzeitig gekommen, doch es würde ihm kein zweites Mal gelingen. Angespannt verfolgten sie den Anflug auf Hamtar-14, wo der Tross seit nunmehr zwanzig Tontas auf sie wartete. Der Rückweg hatte sie aufgrund der strapazierten Triebwerke mehr Zeit gekostet als der Hinweg, und an einen Langstreckensprung nach Hamtar-13 war binnen der nächsten Tontas nicht zu denken, weshalb alle Eile vergebens war.
    Sie hatten einen Tag ihres Flugs an die Leere verloren.
    Kaum dass sie die ersten Schiffe erkennen konnte – die zerbrechliche Schönheit der VEOLD'OR, die schreiende Pracht der LINH-KHAISIL –, erreichte sie auch schon ein Ruf von einem der drei Schiffe des Regenten. Einen Moment noch weidete Ihin da Achran ihr Auge am Anblick ihrer Schiffe, die ihr in diesem Moment wie ihre Familie, ihre Kinder erschienen, dann schöpfte sie tief Atem und nahm den Ruf entgegen.
    Das Konterfei Sergh da Teffrons baute sich als überlebensgroßes Hologramm inmitten der Zentrale auf. Mit einer Mischung aus Erleichterung und Verdruss musste sie feststellen, dass er bekleidet war. Auch Theta hatte ihn also nicht beliebig lange von seinen Geschäften abhalten können.
    »Ich erwarte eine Erklärung!«, knurrte die Hand des Regenten. Tatsächlich sah der kahlköpfige Mann ganz danach aus, als hätte er eine schlechte Nacht hinter sich. »Wieso ist das Flaggschiff des Trosses einen Tag lang unauffindbar? Wieso der Aufschub unserer Reise?«
    Noch ehe die Rudergängerin etwas erwidern konnte, trat der Lotse neben sie und ergriff das Wort. »Das war allein mein Tun«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Die Khestan trifft keine Schuld.«
    »Erklär mir das, Khe'Mha'Thir!«
    »Die letzten Tage wurden vermehrt Stimmen besorgter Besatzungsmitglieder an mich herangetragen, die sich Gedanken um die Sicherheit des Trosses machten. Wie Sie wissen, sind wir mit zwei Schiffen mehr als dem üblichen Gwalontar nach Kira Ariela aufgebrochen. Zwar würde ich nie wagen, den Tross des Regenten wegen einer solchen Lappalie aufzuhalten – Ausnahmen sind dazu da, die Regel zu bestätigen, und was ist besser als eine solche Ausnahme, die Würde und die Macht des Regenten zu demonstrieren? –, jedoch bin ich als oberster Vertreter meines Ordens auch dem Seelenfrieden der Reisenden verpflichtet. Ich gelangte also zu der Überzeugung, dass ich einen
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