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PR Ara-Toxin 03 - Nekrogenesis

PR Ara-Toxin 03 - Nekrogenesis

Titel: PR Ara-Toxin 03 - Nekrogenesis
Autoren: Hans-Joachim Alpers
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aber danach nie wieder einen Auftrag dieser Art anzunehmen. Er hatte noch so vieles zu betrachten und zu erforschen. In seiner Fundgrube. Und er war schließlich nicht mehr der Jüngste.
    Um sich zu entspannen, aktivierte er die Kommunikationskonsole, wählte aus dem riesigen Speicherfundus an klassischer Orchestermusik ein beliebiges Stück aus, blockierte die Musikausgabe und sah interessiert zu, wie hingebungsvoll die Musiker ihre Streich- und Blasinstrumente bearbeiteten.
    Irgendwann schlief er in seinem Sessel ein.

29. April 1334 NGZ, Remion
    In den ersten scheuen Lichtstrahlen der roten Morgensonne versammelten sie sich vor den Toren der Hacienda Dos Sanchoz: Der padre und der Sekretär des Exekutivkonsortiums, der maestro mayor der Colocadosos mit der Prüfungskommission im Gefolge, die Ausbilder und Ausbilderinnen der Aprendiz, darunter auch Marcos glatzköpfiger Instrukteur Maestro da Silva, sowie ein Priester der Vereinigten Santena Katholischen Voodoo Kirche in der weißen Soutane, das Gesicht grimmig bunt bemalt wie eine Kriegsmaske und das hellrot gefärbte Kraushaar wie eine Löwenmähne weit vom Kopf abstehend.
    Ein Stück entfernt von den Offiziellen standen die Eltern, Freunde und Bekannten der Aprendiz. Sie jubelten und klatschten frenetisch Beifall, als sich die Tore der Ratshalle öffneten und die Musiker der Steelband Gozo Dos Sanchoz wild trommelnd heraustanzten. Obwohl die Band sich den historischen Vorbildern verpflichtet fühlte, steckten in den Trommeln sowie an den Körpern der Musiker Sensoren und Verstärker, um raffinierte elektronische Soundeffekte zu erzeugen. Zugleich ließ sich die Band von kunterbunten Holos umwabern, die Voodoo- und Santeria-Gottheiten verkörperten, von denen manche Spaß daran zu haben schienen, miteinander zu kopulieren.
    Hinter der Band traten Marco und zwei weitere Jungen sowie zwei Mädchen ins Freie. Sie trugen steife, bis zum Boden reichende Brokatmäntel und rotgelb karierte Hüte; die Gesichter wirkten ernst und bleich. Die Aprendiz, alle zwischen 17 und 18 Jahre alt, hatten einander bei den Händen gefasst und bildeten eine Kette, als wollten sie die Gemeinsamkeit und das enge Band zwischen ihnen deutlich machen. Ihre Schritte waren fast zögerlich. Ihnen war nur zu deutlich bewusst, dass nun ein Lebensabschnitt endete und ein neuer begann. Neben dem athletischen, hochgewachsenen Marco ging die zartgliedrige Carmen, und ihre vor Aufregung feuchte Hand hielt die seine fest umklammert.
    Der Block der Bekannten und Verwandten geriet ins Wanken, weil sich fast alle im Rhythmus der Musik bewegten. Einzelne tanzten heraus, den Musikern und den Aprendiz entgegen. Marco sah, dass sein Vater zu den wildesten Tänzern zählte und ihm begeistert zuwinkte. Marcos Mutter bewegte sich gemessener, wie es ihrer Körperfülle entsprach, hatte aber ein breites Lächeln aufgesetzt. Ihre Augen strahlten und schienen zugleich etwas Spitzbübisches auszudrücken. Vielleicht dachte sie in diesem Moment an den traditionellen Initiationsritus, der aus ihrem Jüngsten in Kürze einen Mann machen würde.
    Auch einige der Offiziellen gaben sich dem Rhythmus der Musik hin, und der greise padre ließ es sich trotz seines hohen Alters nicht nehmen, einen uralten Häuptlingstanz aufzuführen.
    Hinter den Versammelten erwachte die Hacienda zum Leben. Lichter flammten auf, Gleiter stiegen in den Himmel, Antigrav-Plattformen beförderten Lasten in die oberen Etagen der Speicherhäuser, Servo-Roboter schwärmten aus. Immerhin war dies eine moderne, hoch technisierte Siedlung mit mehr als 20.000 Bewohnern, eine erfolgreiche und diszipliniert geführte familia, deren Mitglieder hart arbeiteten und den vertrauten Alltag der Zehntagewoche über Prüfungen und Initiationsriten stellten, die nur eine Minderheit von ihnen etwas anging.
    Marco registrierte die Geschäftigkeit in seinem Rücken nur am Rande, obwohl er sich spontan einen Moment lang wünschte, nicht hier im Blickpunkt so vieler Menschen zu stehen, sondern wie in den vergangenen Monaten mit Maestro da Silva in den Gleiter zu steigen und einen ganz normalen Arbeitstag zu absolvieren.
    Du musst das durchstehen, ermahnte er sich. Wenn das vorbei ist, bist du ein freier Mann und kannst dir eine andere familia suchen. Und immerhin wirst du für all die Plackerei auf delikate Art belohnt.
    Er fragte sich, wer sich für ihn beworben und wen davon Maestro da Silva für ihn ausgesucht hatte. Da Silva war einer der besten Colocadosos der
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