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PR 2669 – Wettstreit der Konstrukteure

PR 2669 – Wettstreit der Konstrukteure

Titel: PR 2669 – Wettstreit der Konstrukteure
Autoren: Marc A. Herren
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Mediziner hatten, um die Organe zu retten, neue Wege beschreiten müssen. Da sein Körper selbst nachgezüchtetes Eigengewebe größtenteils abstieß, hatten sie Lunge, Niere, Skovum, Terram und Leber mit halb organischen Zellgittern in Dutzenden von Operationen zusammengesetzt. Genäht, geklebt, teilweise sogar ineinander verschraubt.
    Cholaquin Port'aldonar hatte die mowische Medizin verflucht, die in den vergangenen Jahrdutzenden kaum Fortschritte gemacht hatte. Selbst der verdammte Krieg mit seinen Millionen Opfern hatte offenbar nicht zu der Erkenntnis geführt, dass es beiden Seiten besser gehen würde, wenn mehr Forschungsgelder in die Medizin als in die Entwicklung neuer Waffensysteme gesteckt würden.
    Lieber zwei Gegner zusätzlich töten als fünf eigene Soldaten heilen. So schien die Losung sowohl bei den Orfenar wie auch bei den Mowenern zu lauten.
    Ein Thema, dem Cholaquin in den Gesängen des Untergangs ein ganzes Kapitel gewidmet hatte.
    »Soll ich die Tür öffnen?«, fragte M 10 . »Martun ist eingetroffen.«
    »Warte!«
    Cholaquin wischte sich Schweiß aus dem Gesicht, strich das Krankenhemd glatt. Er wusste, dass er fürchterlich aussah, aber je weniger Angriffsfläche er ihm bot, desto kürzer würde der Besuch ausfallen. Nur keine endlosen Diskussionen, die hatte er in seiner Jugend nur zu oft gehabt.
    »Martun sagt, dass er das Zimmer von der Direktion öffnen lassen wird, falls die Tür nicht sofort aufginge«, informierte ihn die alte Medodrohne.
    Cholaquin atmete ein. »Lass ihn herein.«
    Die Tür schob sich zur Seite, und er trat ein.
    Der einzige Mowener, auf dessen Meinung Cholaquin Port'aldonar tatsächlich etwas gab, auch wenn er dies ihm gegenüber nie eingestanden hätte.
    Martun ignorierte den Besuchersessel, baute sich wie ein Feldherr vor dem Bett auf. Er nahm sich Zeit, viel Zeit, erst das papierne Chaos in sich aufzunehmen, um danach den Blick auf ihn zu legen.
    Minuten vergingen. Für Cholaquin dehnten sie sich zu Stunden.
    Er versuchte in Martuns malvenfarbenen Augen zu lesen, aber wie immer verriet die Miene seines Gegenübers nichts von den Gedanken, die sich hinter der tief gefurchten Stirn abspielten.
    Martun Port'aldonar war eine beeindruckende Erscheinung. Cholaquin hatte ihn über zwei Jahre nicht gesehen. Sein Vater schien zwar älter, aber keineswegs schwächer geworden zu sein. Hoch aufgerichtet stand er da, den Rücken gestreckt, die Schultern zurückgebogen, die kräftigen Arme über dem Brustkorb verschränkt.
    Das Haar war zwar eine Spur spärlicher geworden, und auf der grafitgrauen Haut hatten sich zahlreiche neue Falten gebildet. Aber der Blick in seine Augen verriet Cholaquin, dass sein Erzeuger nichts an Kraft und Willen eingebüßt hatte.
    Böse Zungen hatten behauptet, dass Martun Port'aldonars Erfolgsgeheimnis nur zu einem Drittel auf dem Genie und der Schaffenskraft als Konstrukteur beruhte. Zwei Drittel seines Industrieimperiums fußten auf seinem Charisma und seiner Überzeugungskraft.
    Cholaquin gab den Stimmen uneingeschränkt recht. Aus diesem Grund waren Treffen wie dieses für Vater wie Sohn seit langer Zeit eine Tortur: Kein Raum war groß genug, damit ihre beiden Egos darin Platz hatten.
    Cholaquin ärgerte sich, dass er dem Medoroboter nicht erlaubt hatte, seine Nervenbahnen zu dimmen. Es kostete ihn unglaublich viel Kraft, dem prüfenden Blick des Vaters standzuhalten, während der Schmerz in seiner Bauchhöhle wütete, als tobten sich darin eine Schar Sowunratten aus.
    Was würde Martun als Erstes sagen? Nahtlos an die Diskussion von vor zwei Jahren anknüpfen und ihm Vorwürfe machen, weshalb er die Kampfeinheit und nicht das Technologiekorps gewählt hatte? Ihm vorrechnen, wie teuer Cholaquins Studiengänge gewesen waren und wie viel Umsatz er generieren müsste, um die Schuld abzuzahlen?
    »Das ist entwürdigend!«, sagte Martun Port'aldonar.
    Cholaquin spürte, wie ihn ein leichtes Zittern durchlief. Nur keine Schwäche zeigen!
    »Es ist auch schön, dich zu sehen, Vater!«, gab er ungerührt zurück.
    Der Großindustrielle löste seine Arme vor der Brust, deutete mit dem linken Zeigefinger auf die Hunderte von dicht beschriebenen Seiten, die auf Cholaquins Bettdecke, Kissen, Boden und teilweise auch auf den Vitalmaschinen lagen.
    »Entwürdigend«, wiederholte der Alte. »Für einen Ingenieur, für einen Unternehmer, für einen Vater!«
    Das letzte Wort spie er aus, als wäre es ein Insekt, das versehentlich in seinem Mund gelandet
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