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PR 2668 – Neuntau

PR 2668 – Neuntau

Titel: PR 2668 – Neuntau
Autoren: Christian Montillon
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nur ein Funken Aktivität feststellen. Blitzer kam zu demselben Ergebnis.
    Was mochte an diesem Ort geschehen sein? Hatte Sholoubwa – oder wer immer letztlich dafür verantwortlich war – diesen Teil der Technogarde vergessen? Oder sogar entsorgt?
    »Sie liegen seit Jahrhunderten hier«, stellte Eroin Blitzer unvermittelt fest. »Leider kenne ich die atmosphärischen Bedingungen dieses Planeten nicht genau genug, um mithilfe des Erosionsfortschritts eine exaktere Aussage zu treffen. Die Biokomponenten sind jedenfalls schon lange völlig vergangen.«
    Wieder einmal wunderte sich Saedelaere über die Distanziertheit in den Worten des Zwergandroiden. Es klang fast nach einem schriftlich festgehaltenen wissenschaftlichen Protokoll, weniger nach spontaner Sprache.
    Andererseits konnte er Blitzer nur zu gut verstehen; er dachte und handelte ähnlich wie der Kleine. Auch er selbst traf oft auf Unverständnis, weil er nahezu jeden auf Distanz hielt. Er war ein Einzelgänger, der sich nur einer Handvoll Menschen gegenüber im Lauf seines Lebens geöffnet hatte.
    Der Zwergandroide drehte sich um und gab einen leisen, fast seufzenden Laut von sich. »Man kann sich nicht einmal abwenden von der Zerstörung.« Er schwieg kurz. »Fliegen wir weiter?«
    Saedelaere stimmte zu.
    »Dies ist eine traurige Welt«, sagte Blitzer.
    Wenig später flogen sie wieder über leere Straßen, vorbei an ausgestorbenen Häusern, und erreichten den Turm.

3.
    Der Turm
    und die Spur
     
    Wind kitzelte ihn im Gesicht, vor allem in der Narbe. Der eingefallenen Wange. Dem Loch. Der Verstümmelung.
    Nikomus Neuntau hatte im Lauf der Jahrzehnte viele Worte dafür gefunden. Keines davon gefiel ihm. Manche waren verlogen, andere ekelhaft. Je länger er nachgedacht hatte, umso mehr war die Überzeugung gewachsen, dass es den Mittelweg zwischen Beschönigung und allzu brutaler Ehrlichkeit nicht gab. Aber das spielte auch keine Rolle. Er konnte mit niemandem über dieses Thema sprechen. Es gab nur ihn.
    Er ging um die Ecke eines der Häuser, das am Rand des freien Platzes rund um den Turm stand. Er wappnete sich, machte sich für die Begegnung bereit, aber die Fremden waren nirgends zu sehen.
    Natürlich nicht. Ein lächerlicher Fehler, der ihm in alten Zeiten nie unterlaufen wäre, als sein Verstand und seine Logik noch perfekt arbeiteten. Die Besucher hatten sich aus der gegenüberliegenden Richtung genähert, also befanden sie sich momentan wohl auf der anderen Seite des Turms, hinter diesem riesigen, unzugänglichen Koloss unter dem Energieschirm.
    Vielleicht war es gut so, dass die Fremden ihn nicht sofort sahen. Womöglich gab ihm das Schicksal – früher hatte er nie daran geglaubt, doch er hatte lange Zeit zum Nachdenken gehabt ...
    Er setzte in Gedanken neu an, weil er sich in den Wirren seiner eigenen Überlegungen verloren hatte: Womöglich gab ihm das Schicksal eine zweite Chance.
    Also zog er sich in den Schatten der Häuser zurück, in den Sichtschutz der großen Statuen, hinter die Schuttwälle der ersten Beben. Es gab Hunderte und Tausende Verstecke, und Neuntau kannte sie alle. Er musste sich nicht anstrengen, sie zu finden, sondern wanderte gelassen von einem zum anderen.
    Nicht umsonst hatte er eine schiere Ewigkeit in diesen Straßen und dem Gewirr der Gebäude verbracht. Er wusste um jeden Raum und jede noch so kleine Hinterlassenschaft der ehemaligen Bewohner.
    Wer immer diese Besucher sein mochten, sie waren ganz sicher noch nicht einmal geboren gewesen, als Nikomus Neuntau in den Ruinen und Häusern von Sholoukanora längst heimisch gewesen war. Wann sie wohl das Licht ihrer jeweiligen Sonnen erblickt hatten? Vor dreißig Jahren? Fünfzig? Hundert?
    Er schlich um den Turm, als wäre er unsichtbar. Keiner konnte ihn sehen. Es dauerte seine Zeit, bis er die gegenüberliegende Seite erreichte; der Turm war groß, ein wahrer Gigant.
    Aber Neuntau ließ sich Zeit. Niemand hetzte ihn. Die Besucher würden so schnell nicht wieder gehen.
    »Die Spannung steigt«, flüsterte er sich selbst zu, und die Worte, kaum mehr als ein Hauch, waren lauter als alle anderen Geräusche, die er auslöste. Sie umwehten ihn, als habe ein Fremder sie gesprochen.
    Das gefiel ihm.
    Was für ein Anblick ihm wohl bevorstand? Escalianer? Wenn ja, aus welchem Volk stammten sie? Oder warteten sonstige Abgesandte TANEDRARS auf ihn?
    Bei sämtlichen Materiesenken des Multiversums und ihrem Fresshunger – vielleicht war es sogar die Superintelligenz persönlich! Aber
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