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PR 2656 – Das Feynman-Kommando

PR 2656 – Das Feynman-Kommando

Titel: PR 2656 – Das Feynman-Kommando
Autoren: Wim Vandemaan
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Welt
    An Bord der TOLBA
     
    Shanda Sarmotte hatte die Einladung Talbots angenommen, der aktuellen Auseinandersetzung im Nanoraum – der Entscheidungsschlacht – beizuwohnen. Natürlich würde sie auch diesmal nicht leibhaftig in die Nanowelt einschrumpfen, sondern an Talbots Phantasie teilhaben.
    Aber es gab Phantasiewelten, die das Gepräge der Wirklichkeit trugen. Und Talbots Bilder von der Nanowelt waren so punktgenau, so farbenprächtig und eindrucksvoll, dass Sarmotte sich keine bessere Vergegenwärtigung hätte wünschen können.
    »Die reinen Daten würden dir wenig sagen«, hatte er ihr erklärt. »Das, was sich auf der Sub-Nanoebene abspielt, ist nicht angemessen abbildbar.« Er lächelte bescheiden. »Aber ich kann das Datenmaterial übersetzen und ansatzweise vorstellen, was sich dort zurzeit tut. Wenn du willst, kannst du es mir aus den Gedanken lesen.«
    Und ob sie wollte.
    Die Nanowaffen der Fagesy waren zurzeit an drei Orten der Erde im Einsatz: unterhalb von Terrania City, in der Zona Mexico und unter Port Moresby auf Papua-Neuguinea.
    Talbot schien sich für solche Makrostrukturen nicht zu interessieren.
    Sarmotte hatte gewusst, dass die eingedrungenen Nanomaschinen eine Unzahl winziger Fabriken produziert hatten, die starke gravomechanische Stoßimpulse erzeugen konnten.
    Wie sie sich derartige Impuls-Fabriken gedacht hatte? Gar nicht. Jedenfalls nicht in der Gestalt, die Talbot vor dem inneren Auge hatte. Sarmotte sah Fäden, tausendmal feiner als Spinnenseide, jeder Faden über Hunderte von Kilometern lang. Die Fäden umschlangen und umwickelten einander und bildeten so armdicke Taue; Sarmotte mochte nicht darüber nachdenken, wie viele hundert Milliarden oder Billionen Fäden dort verflochten lagen.
    Talbot tauchte in diese Stränge ein, und Sarmotte, die sich an seinen Gedanken festhielt, folgte ihm dorthin.
    Das Nanoaggregat setzt sich aus mehr Komponenten zusammen, als in der Milchstraße Sterne stehen, dachte Talbot. Obwohl sie in Feindesland waren, spürte sie eine gewisse Hochachtung in seinen Gedanken. Und natürlich werden die Effektoren, die gravomechanischen Impulssetzer, bestens geschützt.
    Sie sah die molekularen Wälle, die schmerzhaft schönen Kristallbunker aus Lonsdaleit und aggregierten Diamant-Nanoröhrchen, die Bunker aus Plutonium, Fermium und metallischem Lawrencium, Panzer aus Ynkonit, Zisternen voller Antimaterie, eine nanotechnische Festungsarchitektur, der die terranische Nanomaschinerie nicht gewachsen war. Da und dort, an wenigen Milliarden Stellen, entdeckte sie, die Passagierin in Talbots Einbildungskraft, die Trümmer der terranischen Nanoverbände, zerrissen, fragmentiert, abgewrackt oder – was für eine Demütigung – in die tellurische Bastion verbaut.
    Sie sah die Heerscharen von Lauschern und Wächtern, Myriaden streitbarer Moleküle, wachsam die zwei oder drei Meter Umland beobachten, Schlachtfelder, die, auf den menschlichen Maßstab hochgerechnet, endlos ausgebreitet lagen wie die Leerräume zwischen den Sterneninseln.
    Dann entdeckte sie die ersten Spuren des Angriffs. Zunächst war nicht mehr zu sehen als eine leichte Trübung in dem einen oder anderen Atom, nicht mehr als ein vorübergehender Hauch, aber ein Hauch eben doch. Als hätte sich jemand in einen Mantel gehüllt, aber es wäre weder dieser Jemand zu sehen noch der Mantel, nur die schiere Geste der Verhüllung. Dort, in den seinsabgewandten Sektoren der Atome, wo der Raum eine befremdliche Idee war und Zeit sich nicht entfalten konnte, trudelte es ein, ein Schneegestöber aus Spins, unfassbare elektrische Gespenster.
    Wenn die Nanowächter Augen gehabt hätten: Sie hätten ihnen nicht getraut. Was dort eintraf, reiste verborgen in den Schatten, die die Photonen auf das Gewebe der Möglichkeiten warfen. Es durchtunnelte die Elektronenhüllen in Gegenzeit, traf ausgedehnte Sekundenbruchteile vor dem Aufbruch ein; es marschierte als Folge jedem Grund voraus und hatte zugeschlagen, bevor es die ersten Anzeichen seiner Existenz gab.
    Die molekulare Materie der gravomechanischen Stoßimpulsgeneratoren, Sieger im ersten tellurischen Krieg, wurde umprogrammiert und zersetzte sich. Eine Pikosekunde bevor die Wächter begreifen konnten, dass sie nichts mehr zu bewachen hatten, waren sie von dem anderen infiltriert und geflutet mit haltloser Abwesenheit.
    Die Nanomaschinerie der Ovulen war der Wirklichkeit entfallen wie ein vergessener Traum.
     
    *
     
    »Ich verstehe das nicht«, sagte
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