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PR 2646 – Die Tage des Schattens

Titel: PR 2646 – Die Tage des Schattens
Autoren: Leo Lukas
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Nichterscheinung – getreten war, am bislang spektakulärsten beim Vorfall am Silverbridge Hotel in Fuggerville, einem Vorort Terranias. Dort waren vier Fagesy getötet worden, ein fünfter offenbar gekidnappt – was Medienrecherchen zufolge den Guerilleros wohl nicht gelungen wäre, hätte ihnen nicht jene schattenhaft diffuse, vage humanoide Gestalt den entscheidenden Vorteil verschafft.
    Was sollte man von diesem Schatten halten? Die bunt zusammengesetzte Gesprächsrunde um Toufec war geteilter Meinung.
    Der Siganese vertrat die Ansicht, es handle sich um ein Ablenkungsmanöver der Auguren: »So etwas kennt man seit Jahrtausenden. Der Typ ist ein klassischer agent provocateur, der unbedarfte romantische Gemüter dazu verleiten soll, Helden für einen Tag zu spielen. Die letztlich sinn- und wirkungslosen, weil amateurhaften Aktionen dieser Möchtegern-Rebellen dienen dann dem Regime als willkommene Begründung für schärfere Repressionen.«
    »Warn deinen Sohn, ehe er das Gefäß zerbricht«, warf Toufec ein, was fast so viel Gelächter hervorrief wie der deftige Rülpser, den er als Schlusspunkt draufsetzte.
    Die Epsalerin drosch mit der Faust auf den Tisch, dass Brotkorb und Eierteller in die Luft flogen. »Seid doch nicht so negativ, so fatalistisch und duckmäuserisch, Kinder! Der Liga-Dienst und das Verteidigungsministerium haben sicher noch den einen oder anderen Pfeil im Köcher. Wer sagt, dass dieser Schatten nicht eine Geheimwaffe von Vashari Ollaron ist? Einer der neuen Mutanten von TIPI zum Beispiel?«
    An das Terranische Institut für Paranormale Individuen transferiere das Wirtschaftsministerium zumindest erkleckliche Summen an Subventionen, verriet die Gefirnin. »Mehr als für jede andere Schule, das weiß ich aus gesicherter Quelle. Und andere Residenzministerien sollen ebenfalls erkleckliche Scherflein beisteuern.«
    »Sicher keine schlechte Investition«, meinte ein schlaksiger Jugendlicher, der die knallroten Haare zu langen, dick verfilzten Rastazöpfen geflochten trug. »Psi-Begabte haben in der Terranischen Geschichte schon oft die Kastanien aus dem Feuer geholt.«
    »Die Zweige geben Kunde von der Wurzel«, orakelte Toufec. Er erntete anerkennendes Kopfnicken und mehrere Schulterklopfer.
     
    *
     
    Kornel musste seinen Lauschposten aufgeben, weil im hinteren Teil des Kaffeehauses ein Streit ausbrach.
    Zwei andere Stammgäste waren sich in die Haare geraten. Das war alles andere als unüblich, ganz im Gegenteil, man konnte fast die Uhr danach stellen.
    Beide Herren waren so eingefleischte Baseballfans, dass sie ihre gesamte Körperoberfläche dauerhaft in den Musterungen ihrer jeweils favorisierten Klubs gefärbt hatten. Jeden Tag schworen der Violette und der Grün-Weiß-Gestreifte Stein und Bein, nie wieder ein Wort miteinander zu wechseln; und jeden nächsten Tag begeiferten sie, kaum dass sie Frühstück und Lektüre der Sportberichte abgeschlossen hatten, einander aufs Neue.
    Nachdem Kornel die erhitzten Gemüter beruhigt hatte, wie immer durch ein doppeltes Schnäpschen aufs Haus mit gleichzeitiger Androhung lebenslangen Lokalverbots, fand an Toufecs Tisch gerade eine allgemeine, überschwängliche Verabschiedung statt: Umarmungen, Austausch von Kontaktadressen, gegenseitige Zusicherung, bald wieder etwas gemeinsam zu unternehmen.
    Die anderen Gäste aus der Runde bezahlten ihre Zeche positronisch. Toufec jedoch, allein zurückgeblieben, zog einen Beutel aus seinem Gürtel und entnahm daraus, bedeutungsvoll dreinschauend, eine Handvoll kleiner, goldgelber Steinchen. Eins nach dem anderen, zählte er sieben davon auf den Tisch.
    »Schweiß der Götter«, sagte er. »Zu viel, ich weiß, doch ich möchte mich für deine Gastfreundschaft erkenntlich zeigen.«
    »Oh. Ohne dir nahetreten zu wollen«, druckste Kornel herum, »aber ich fürchte, dass unser System dieses, äh, Zahlungsmittel nicht anerkennt.«
    »Befrage dein System«, riet Toufec milde.
    Kornel rief die Positronik des Tisches auf. Zu seiner nicht geringen Verwunderung wies sie nach kurzer Analyse der rotgoldenen Körner die Rechnung als beglichen aus.
    Der merkwürdige Gast steckte seinen Beutel wieder in den Gürtel neben ein zweites Behältnis, das wie ein Mittelding aus Flasche und Öllämpchen aussah. Er schnallte den schmuddeligen Rucksack um, verschränkte die Arme vor der Brust und neigte den Oberkörper. Dann verließ er energischen Schrittes das Café Triest.
    »Was war das?«, fragte sich Kornel Krisch
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