PR 2644 – Die Guerillas von Terrania
Barisch nach Sharouns Hand, um sie zu drücken. »Es tut mir leid.«
»Ich weiß.«
»Er war ein guter Mann.«
»Ich weiß.«
»Sharoun ...«
Sie drehte den Kopf zu ihm. Der Blick darin war so unendlich müde, dass er sich fragte, ob sie sich hätte fallen lassen, wenn die Felder nicht da wären.
»Warum bist du zurückgekommen?«
»Um die Dinge zu Ende zu bringen.«
»Heißt das, dass du wieder mit einer Waffe auf mich zielen wirst?«
Der Geist eines Lächelns huschte über ihr Gesicht. »Nein.«
»Gut.« Barisch atmete auf. »Ich denke nämlich immer noch, dass ich recht habe. Jetzt noch mehr als vorher. Was Oachono erzählt, eröffnet ganz andere Perspektiven.«
»Oachono?«
»So heißt der Fagesy.«
Sharoun seufzte. »Er hat also einen Namen. Damit hast du dich endgültig an ihn gebunden. Es ist unendlich viel schwerer, jemanden zu töten, dessen Namen man kennt.«
»Woher weißt du das?«
Sharoun schwieg, und Barisch fragte nicht weiter nach.
»Ich habe ein paar Kontakte spielen lassen«, sagte sie schließlich. »Ich könnte an jemanden aus der Regierung rankommen. Damit wir über den Austausch des Fagesy verhandeln können.«
Barisch sog die Luft ein. »Ich dachte, du wolltest ihn nur noch tot sehen.«
Sharoun schüttelte den Kopf. »Nein. Du hast recht. Es bringt uns keinen Schritt weiter, ihn zu töten. Schon gar nicht nach all dem Aufwand, den wir betrieben haben, um ihn in unsere Finger zu bekommen. Aber es hat auch keinen Sinn mehr, zu warten. Wir werden kein weiteres solches Unternehmen durchziehen können. Vielleicht die Stadt verlassen wie Eudo.«
»Und was sollen wir fordern? Freies Geleit oder so?«
»Nein. Das werden wir uns anders besorgen müssen, denn solche Zusagen sind immer Lügen.« Sie starrte erneut in die schwarze Häuserschlucht hinunter. Ihre Stimme klang rau, als müsse sie darum kämpfen, dass sie nicht brach. »Ich habe meinen Ziehvater verloren. Ich will meinen Bruder zurück.«
Barisch schloss die Augen. Zum ersten Mal wurde ihm bewusst, wie lange er nicht mehr an seinen Bruder gedacht hatte. Über allem, was sie erlebt hatten, war die Erinnerung an den ursprünglichen Grund ihrer Wut bei ihm in den Hintergrund geraten. Die Gegenwart forderte ihn so sehr, dass er die Verbindung mit der Vergangenheit verlor.
Durfte er deshalb seinen Bruder aufgeben? Durfte er Sharoun ein größeres Recht auf Erfolg zugestehen als sich selbst?
Andererseits hatte er inzwischen bereits völlig andere Gedanken, neue Ideen, von denen er Sharoun bisher nichts erzählt hatte. Und für diese würde es nicht das Schlechteste sein, wenn Oachono zu seiner Einheit zurückkehrte. Danach mochten sich neue Möglichkeiten eröffnen.
»Also gut«, stimmte er zu. »Wir versuchen, deinen Bruder zurückzuholen.«
*
»Die Verbindung steht!«
Snacco saß schon neben Sharoun. Barisch zog sich einen Stuhl auf die andere Seite. Die Verbindung zeigte im Moment nur ein immer wieder aufblitzendes Symbol, eine stilisierte Darstellung der Solaren Residenz in Silber vor blauem Grund.
»Ich habe unsere Aufnahmeoptik gekappt, und der Akustiksensor läuft über variierende Modulationsalgorithmen, die unsere Sprache verzerren. Er kann uns also nicht identifizieren. Das Gespräch wird außerdem ständig neu umgeleitet. Solange wir uns nicht verzetteln ...«
»Er?«
»Der einzige Mann in der Regierung, zu dem ich einigermaßen gefahrlos eine Verbindung aufbauen konnte. Staatssekr...«
»Von Strattkowitz hier. Mit wem spreche ich?«
Unvermittelt war das blinkende Symbol durch die knochige Gestalt des Mannes ersetzt worden, der seit der Versetzung des Solsystems die Vertretung der Residenz-Ministerin Nataly Ambrosia übernommen hatte. Seine stahlgrauen Augen schienen Barisch genau anzusehen.
Wie hat es den nur zu den Wissenschaftlern verschlagen? Er würde besser ins Verteidigungsministerium passen.
»Wer wir sind, tut nichts zur Sache«, antwortete Sharoun. »Wichtig ist nur, was wir haben. Ein Fagesy befindet sich in unserer Gewalt. Es ist deine Entscheidung, was mit ihm geschieht. Er kann sterben wie die anderen vom Terrania Silverbridge, oder du kannst ihn euren neuen Freunden als Geschenk überreichen – im Austausch gegen ein anderes Geschenk.«
Von Strattkowitz schüttelte den Kopf. »Ihr verkennt meine Position. Ich kann nichts von den Fagesy fordern. Schon gar nicht im Austausch gegen eine Geisel. Sie werden die Freilassung des Gefangenen fordern, ohne dafür zu irgendwelchen
Weitere Kostenlose Bücher