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PR 2620 – Fremde in der Harmonie

PR 2620 – Fremde in der Harmonie

Titel: PR 2620 – Fremde in der Harmonie
Autoren: Christian Montillon
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Nord- und Südhälfte teilte. Es glitzerte verlockend in der Sonne, und für einen Augenblick erwog ich ernsthaft, kurz darin einzutauchen.
    Natürlich tat ich es nicht. Es war alles andere als ratsam, Jezzel warten zu lassen. Ich steuerte den Gleiter nach Osten und sah über die Dächer der Gebäude hinweg – wenigstens dazu flog ich ausreichend hoch, exakt an der erlaubten Höchstgrenze.
    In diesem Stadtviertel überwogen helle Fassaden, die im Licht der Sonne geradezu leuchteten. Jenseits des hügeligen Stadtgebiets erstreckte sich der kleine Raumhafen, auf dem nur wenige Schiffe standen; allesamt winzige Einheiten, auf diese Entfernung kaum zu erkennen.
    Mein Gleiter stockte im Flug, bremste abrupt automatisch ab. »Gefahr eines Zusammenstoßes«, kommentierte die Stimme des Robotpiloten-Systems. »Ich habe den unerlaubten Höhenflug des Zzukra bereits weitergemeldet.«
    Durch die Seitenscheibe sah ich einen Insektoiden heftig gestikulieren. Seine Flügel flatterten in hektischem Rhythmus, auf dem mattschwarzen Chitinleib trug er nicht einmal ein Warnzeichen. Mit den oberen Extremitäten fuchtelte er an seiner Maske herum. Offenbar war ich ihm so nahe gekommen, dass der Fahrtwind sie ihm fast heruntergerissen hätte.
    Der Zzukra nahm eine drohende Position ein, doch plötzlich erschlaffte sein ganzer Körper, und er sank tiefer, den für Individualflieger erlaubten Flugschneisen entgegen. Offenbar hatte er das Wächtersymbol auf meinem Gleiter erkannt.
    Der Insektoide entschwand meinen Blicken und tauchte im Gewimmel unter – wo er hingehörte. Ich ließ die Automatsteuerung aktiv und hing meinen Gedanken nach.
    Achte auf deinen Escaran.
    Diese Formulierung ging mir nicht aus dem Sinn.
    Gleicht er nicht einem Segel, das sich im Wind bläht?
    Wenn ich das nur wüsste. Ich beneidete jene Harmonischen, die ihren paranormalen Begleiter sehen konnten, und wünschte mir die gleiche Gnade. Wieso blieb sie mir verwehrt, obwohl ich am Ende meiner Ausbildung als Harmoniewächter TANEDRAR persönlich begegnet war?
    Ein leichter Schmerz zuckte durch meinen Schädel, und ich fühlte wieder, was ich damals empfunden hatte: diese Erhabenheit, diese Größe und Glorie.
    Es riss mich schier hinweg, und die Welt verschwamm vor mir.
    »Anflug auf das Ziel«, sagte die Roboterstimme.
    Ich riss die Augen auf und konnte es kaum glauben. Wir waren schon da? Aber das war doch viel zu früh!
    Mit dem nächsten Atemzug erkannte ich zwei Dinge gleichzeitig.
    Erstens, dass ich einige Minuten wie ohnmächtig oder träumend verbracht hatte, gefangen in meinen Erinnerungen, ohne dass ich sie beim Namen nennen könnte.
    Und zweitens wogte und wallte etwas neben mir, geisterhaft durchscheinend, mit Schwingen wie die eines Herlak.
     
    *
     
    Ich schnappte nach Luft.
    Der Escaran!
    Mein Harmoniebewahrer!
    Ich sah ihn, zum ersten Mal in meinem Leben. Kein im Wind geblähtes Segel, wie es der Alte behauptet hatte, sondern die Flügel eines Herlak, mit Federn, die auf ihre eigene, immaterielle Art glitzerten und strahlten.
    Unwillkürlich fuhr meine Hand in die Höhe, fasste danach. Natürlich glitt ich durch die quasi geisterhafte Erscheinung hindurch, denn der Escaran bestand nicht aus Materie, sondern aus Energie, aus dem ... Leben der Superintelligenz, das diese zu einem winzigen Teil abgespalten und mir zur Seite gestellt hatte.
    Ich hatte es schon immer gewusst, ihn gerochen, aber ihn nun zu sehen war etwas völlig anderes. Die mystische Intensität dieses Augenblicks überwältigte mich und zog mich in ihren Bann.
    Der Moment dehnte sich zu einer Ewigkeit, und ich fragte mich, wieso es gerade jetzt geschehen war. Und was hatte der alte Verkäufer darüber gewusst? Das konnte doch kein Zufall sein!
    Der Gleiter landete und riss mich in die Wirklichkeit zurück. Der Escaran blieb noch immer da, ein Schatten am Rand der Realität, und die Harmonie erfüllte mein ganzes Dasein und stärkte mich.
    Ich stieg aus.
    Die Hitze der Stadt schlug mir entgegen; es war so viel heißer als im angenehm temperierten Innenraum des Gleiters. Zugleich herrschte eine geringere Luftfeuchtigkeit. Meine Haut spannte sich und sonderte tausend Schweißtröpfchen ab, um ein Austrocknen zu verhindern.
    Der zylindrische Turm der Harmoniewächter-Zentrale ragte vor mir in die Höhe. Mit jedem Schritt darauf zu blieb der geschäftige Betrieb der Stadt hinter mir zurück. Nur dank der speziellen Kennung meines Gleiters hatte ich überhaupt so nah heranfliegen können;
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