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PR 2620 – Fremde in der Harmonie

PR 2620 – Fremde in der Harmonie

Titel: PR 2620 – Fremde in der Harmonie
Autoren: Christian Montillon
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Marene nachempfunden, mehr noch, sie roch sogar danach. Zumindest vermutete ich das. Ich hatte ihn noch nie jenseits des winzigen Grills gesehen, der beständig glühte und in dem stets Fett brutzelte.
    Wie jeden Tag kaufte ich ihm eine der kleinen Köstlichkeiten ab, und wie immer erhielt ich eine Information gratis dazu.
    Denn das war das Beste an dem Alten: Er schien stets über alles Bescheid zu wissen. In dieser Hinsicht war er schneller und zuverlässiger als das ausgefeilte Datennetz und die aktuellen Berichte aus der Zentrale der Harmonie.
    Doch an diesem Tag verwirrte mich die Aussage des Marenen-Verkäufers, als gäbe es nicht genug, über das ich nachdenken musste.
    »Achte auf deinen Escaran. Gleicht er nicht einem Segel, das sich im Wind bläht?«
    Die Worte versetzten mir einen Stich. Ich starrte den Alten an. »Was willst du damit sagen?«
    Ein dumpfes Kichern drang unter seiner Maske hervor. »Marenen!«, rief er dann laut zu allen, die hinter mir vorübereilten. »Zinnober-Marenen – frisch gegrillt!«
    Er ließ sich nicht zu einer weiteren Erklärung herab, und wenn ich ihn nicht seit Langem kennen und schätzen würde, hätte ich seine Worte für bloßes närrisches Gewäsch gehalten.
    Achte auf deinen Escaran?
    Als ob irgendjemand tatsächlich auf seinen Harmoniebewahrer achten könnte.
    Viele vermochten den eigenen Escaran zumindest wahrzunehmen; ich nicht, aber ich wusste als Harmoniewächter trotzdem mehr als die meisten über jene winzigen Splitter der Superintelligenz TANEDRAR, die jedem einzelnen Bewohner des Reiches der Harmonie zur Seite gestellt waren.
    Schließlich basierten mein gesamtes Leben und meine Aufgabe auf diesem Wissen – ich erkannte, wenn einem Individuum dieser Escaran fehlte. Dann stimmte sein Geruch nicht mehr, dann bewies er sich als Fremder, der von außen in die Harmonie eingedrungen war.
    Wer keinen Teil von TANEDRAR bei sich trug, war nicht harmonisch.
    Ein solches Wesen musste ausgemerzt werden.
    »Du sagst das ausgerechnet mir?«, fragte ich den Alten ohne große Hoffnung; er würde mir nicht antworten.
    Er überraschte mich, indem er es trotzdem tat. »Wieso nicht? Bist du etwas Besseres als ich? Trage ich nicht ebenso einen Escaran wie du?«
    »Natürlich, aber ...« Nichts aber. Der alte Verkäufer hatte recht. Oder?
    »Aber«, setzte ich noch einmal an, »niemand von uns kann auf seinen Escaran achten. Was hast du damit gemeint?«
    Er kicherte. »Es sind nur Worte. Geplapper eines Mannes, der zu lange gegrillte Marenen verkauft und in der Hitze des Grills gestanden hat. Und nun geh bitte. Oder möchtest du noch eine kaufen? Wenn nicht, sehen wir uns bald wieder, denn ich werde ein weiteres Mal hier stehen, wenn du dein Haus verlässt.«
    Ich wandte mich ab und ging zu meinem Gleiter. Was sollte das bedeuten, dieser Hinweis auf ein im Wind geblähtes Segel? Oder wie genau hatte er es formuliert?
    Meine Gedanken überschlugen sich, es fiel mir schwer, mich auf etwas zu konzentrieren. Wieder einmal wurde mir klar, wie sehr es mich schmerzte, dass ich meinen Escaran nicht sehen konnte.
    Er war vorhanden, ich roch ihn, daran gab es keinen Zweifel ... Aber wäre mein Verhältnis zu ihm und damit zu TANEDRAR und zur Harmonie an sich nicht viel inniger, wenn ich seine Form und seine Gestalt kennen würde?
    Da mir der Appetit vergangen war, ließ ich die frisch erworbene Köstlichkeit achtlos fallen. Ein Grino-Renner huschte herbei und schnappte sie sich, kaum dass sie den Boden berührte.
    »Öffnen!«, befahl ich. Die Spracherkennung des Gleiters reagierte, und der Sitz fuhr aus.
    Während ich mich niederließ, fragte ich mich, ob ich den letzten Augenblicken viel zu viel Bedeutung zumaß.
    Sicher. Ganz sicher war es so.
    Ich blies den Kehlsack auf und ließ die Luft pfeifend entweichen. Es tat gut.
    In Gedanken schon bei meinem Treffen mit Jezzel, flog ich los.
     
    *
     
    Alle Ebenen des Verkehrs waren hoffnungslos überfüllt. Ich fragte mich, warum es auf anderen Welten so viel besser lief als auf Klion.
    Keine Stadt auf den vielen Planeten, auf denen ich meinen Dienst als Harmoniewächter versehen hatte, war derart verstopft gewesen wie Klionas unter seinem strahlend blauen Himmel.
    So ging es auch an diesem Tag nur langsam voran; fast zehn Kilometer Weg lagen vor mir, bis ich den Zentrale-Turm der Harmoniewächter vor mir sehen würde.
    Ich hing einige Minuten lang meinen Gedanken nach, bis vor mir das gewundene Band des Flusses auftauchte, der Klionas in eine
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