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Porträt eines Süchtigen als junger Mann

Porträt eines Süchtigen als junger Mann

Titel: Porträt eines Süchtigen als junger Mann
Autoren: Bill Clegg
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für zweihundert drauf.
Aufs Haus
, sagt er.
Iss was, Mann
, und einen Moment lang sieht er besorgt aus. Aber nur einen Moment, und dann ist er weg. Ich raffe die Tütchen zusammen. Es sind noch mehr als am Abend zuvor, aber da ich nur noch viertausend auf dem Konto habe und die Hotelrechnung läuft, mache ich mir trotzdem wieder Gedanken, ob es reicht. Der Tod und das leere Bankkonto liegen Kopf an Kopf, und ich setze alles auf den Sieg des Ersteren. Ich nehme die Schlaftabletten aus ihrer Verpackung, drücke sie einzeln aus den dicken Blisterkarten. Ich werfe die Tabletten in ein Wasserglas aus dem Bad und schütte das ganze Crack in ein anderes. Dabei zittern mir die Hände, und mein ganzer Körper schlottert im Takt meines Herzschlags. Ich trinke den Wodka wie Wasser und habe jedes Mal, wenn ich zwei neue Flaschen bestelle, Angst, die Jungs vom Zimmerservice könnten am Empfang melden, dass hier oben etwas Merkwürdiges abgeht.
     
    Der zweite Morgen ist da, und das Zimmer wirkt kleiner. Der Tag draußen ist grau, und obwohl ich vom Fenster auf Viertel blicke, in denen ich seit Jahren essen gehe, einkaufe und herumlaufe, kommt es mir vor, als sähe ich eine Stadt, in der ich noch nie war. Nichts kommt mir bekannt vor, und es scheint weniger ein Ort zu sein, den ich erkunden kann, wenn ich mit dem Aufzug nach unten fahre, als ein Foto oder ein Wandgemälde zum Anschauen.
     
    Ich rauche weiter und bin froh, dass das Lüftungssystem die Rauchwolken, die ich ausstoße, gleich absaugt. Außerdem habe ich das Fenster einen Spalt weit geöffnet, damit frische Luft hereinkommt, und mache mir diesmal auch keine Gedanken, dass anderen Gästen oder dem Personal der Geruch auf dem Gang auffallen könnte.
     
    Mit einem Handtuch um die Hüfte trete ich ans Fenster und sehe auf dem Parkplatz hinter dem Hotel eine Reihe schwarzer SUV s und mehrere dunkle Limousinen nebeneinander stehen. Es müssen neun Wagen sein, und ich kann es nicht genau erkennen, meine aber, dass in jedem vorne zwei Personen sitzen. Mir stockt der Atem. Einer hat offenbar ein Fernglas in der Hand. Mein Herz fängt an zu hämmern. Es sieht aus, als hätten sie alle ein Fernglas. Achtzehn Ferngläser, direkt auf dieses Fenster, dieses Zimmer, mich gerichtet. Das Handtuch rutscht mir runter, und ich knie mich hin und sehe auf Knien aus dem Fenster. Einer von ihnen winkt. Es ist schwer zu sagen, aber ich bin mir sicher, er winkt hinter der Scheibe. Das Glas spiegelt, aber doch, ja, der Arm winkt. Verdammt, die winken alle. Mit der einen Hand winken sie, in der anderen halten sie das Fernglas. Es ist, als hätte ich einen Stromschlag bekommen. Die Arme und der Hals tun mir weh, und ich bin kurz vor dem Herzanfall. Verdammt, verdammt, VERDAMMT , rufe ich vor mich hin. Ich renne durchs Zimmer, fülle ein Glas bis zum Rand mit Wodka und leere es auf einen Zug. VERDAMMT . Schon schnappe ich mir eine neue Pfeife und packe sie voll. SCHEISSE !, schreie ich, als ich sie anzünden will. Bei offenen Vorhängen kann ich nicht rauchen. Nicht, wenn die alle zusehen. Aber wenn ich sie zuziehe, stürmen sie das Zimmer. Ich laufe ins Bad und drehe die Dusche auf, um das Klicken des Feuerzeugs zu übertönen und das laute Knacken, wenn die Flamme das übergroße Stück Crack am Ende des Röhrchens anbrennt. Erst nach drei tiefen Zügen ist es aufgeraucht, und ich schnappe mir ein Handtuch und lege es unten vor die Badezimmertür. Plötzlich fällt mir auf, dass die Lüftung im Bad nicht allzu viel taugt. Der Rauch hängt schwer und dicht unter der Decke. Ich gehe ins Zimmer zurück. Ohne aus dem Fenster zu sehen, schließe ich die Vorhänge, setze mich aufs Bett, lade die Pfeife und rauche. Und noch mal. Und noch mal. Mir geht der Wodka aus, und ohne Wodka zittere ich unkontrolliert. Ich habe zwar Angst, jetzt noch mehr zu bestellen, tue es aber. Ich bespritze die Wände an der Badezimmertür und die Lüftungsklappen mit Shampoo in der Hoffnung, dass der frische Duft durchschlägt. Ich trinke den letzten Rest Wodka, stopfe mir noch ein paar Pfeifen und sehe mit einem Blick auf die Uhr, dass es schon nach eins ist. Eine Nacht habe ich noch im Hotel, für mehr reicht mein Geld nicht. Der Wodka kommt, und der Boy, der ihn bringt, ist kein Boy, sondern ein Mann und zu glatt, finde ich, zu selbstbewusst und, na ja, zu
sehr
Mann, um ein Zimmerkellner zu sein. Mist, denke ich. Undercover. Ich danke ihm, unterschreibe die Rechnung, und als er fragt, ob ich sonst noch einen Wunsch
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