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Porträt eines Starters

Porträt eines Starters

Titel: Porträt eines Starters
Autoren: Lissa Price
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anspannt. Sie packt ihren Schläger mit beiden Händen. All ihre Instinkte sind auf Krawall gebürstet. Aber es käme nichts Gutes dabei heraus.
    »Es ist spät. Wir müssen noch einkaufen«, sage ich zu ihr. Meine Blicke brennen die Botschaft wie mit einem Laser in ihre Augen. Halt jetzt bitte den Mund und komm!
    Sie schaut mich an und wirft ihren Schläger ins Gras.
    »Der Platz gehört euch«, sagt sie.
    Wir drehen uns um und gehen. Die beiden Typen stehen zwischen uns und dem Tor. Werden sie uns durchlassen? Werden sie uns aufhalten? Bitte nicht noch ein Angriff!
    Wir gehen an ihnen vorbei. Ihre Blicke brennen uns Löcher in den Rücken. Wenn wir losrennen, verfolgen sie uns garantiert. Ich wage es nicht, Callie anzuschauen. Ich starre geradeaus und sehe im Augenwinkel, dass sie das Gleiche tut. Wir bewegen uns gerade so schnell, dass es nicht nach Flucht aussieht.
    Die Jungs hinter uns tuscheln. Wahrscheinlich hecken sie einen Plan aus. Meine Schritte werden länger. Callie hält das Tempo mit. Es ist ein zermürbender Rückweg, vorbei am Pfefferkuchenhaus und den Riesenlollis. Als wir die Pandabären am fünften Loch passieren, scheinen sie uns auszulachen. Endlich erreichen wir die Windmühle.
    Das Eingangstor neben dem Kassenhäuschen, das vorher offen stand, ist jetzt zu. Haben sie es zugesperrt? Oder ist das Schloss automatisch eingerastet, als sie das Tor zumachten? Gibt es einen zweiten Ausgang? Ich kann auf keinen Fall über das Maschendrahtgitter klettern. Callie könnte es. Ich werde dafür sorgen, dass sie es tut.
    Ich höre die Jungs jetzt hinter uns. Sie laufen nicht, kommen jedoch mit gleichmäßigen, entschlossenen Schritten näher. Ich ziehe meinen Schlüsselbund aus der Tasche.
    Callie erreicht das Tor und presst eine Hand dagegen. Es geht nicht auf.
    »Zugesperrt«, flüstert sie.
    Ich schaue ihr über die Schulter und entdecke den Riegel, den sie übersehen hat. Ich schiebe ihn hoch. »Lauf!«
    Wir drücken das Tor auf und rennen los. Unser SUV steht zehn lange Meter entfernt. Wir laufen, so schnell wir können. Ich klicke unterwegs die Zentralverriegelung an. Die Typen verfolgen uns. Sie sind uns dicht auf den Fersen. Zu dicht. Callie hechtet auf den Beifahrersitz. Ich schiebe mich hinter das Steuer und versperre alle Türen.
    Sie ballern mit den Fäusten gegen die Fenster.
    »Hey!«, schreien sie.
    Ich lasse den Motor an.
    »Schau!«, sagt Callie.
    Einer der Jungs hält Callies Handtasche an das Fenster.
    »Meine Tasche. Ich habe sie liegen lassen.«
    Ich habe zwei Sekunden, um dem Jungen in die Augen zu schauen und ihn abzuschätzen. Meine Blicke wandern zu seinem Kumpel. Was ich sehe, gefällt mir nicht. Härte. Hinterhältigkeit. Eine Falle.
    »Egal«, sage ich.
    »Aber sie sind gekommen, um mir meine Tasche zu geben!«
    Ich lege den Rückwärtsgang ein, und die Jungs weichen zur Seite, die Arme in der Luft, Wut in den Gesichtern.
    »Es ist ein Trick. Typen wie die geben nie etwas zurück.«
    Die Jungs stoßen jetzt Flüche aus. Sie drehen Callies Handtasche um und kippen den Inhalt auf den Asphalt – Brieftasche, Handy, Lippenstift, Münzen und, natürlich, eine Packung Tampons, die sie in wieherndes Gelächter ausbrechen lässt.
    Ich sehe im Rückspiegel, dass sie Callies Geld und Handy einstecken und den Rest mit ihren Stiefeln zertrampeln.
    Ein Blick auf Callie zeigt mir, wie geschockt sie ist.
    »Wie können sie das tun?«, sagt sie leise.
    »Die sind nicht wie du.«
    Eine harte, aber notwendige Lektion.
    »Es gibt überall schlechte Menschen, besonders jetzt«, sage ich. »Du kannst niemandem mehr trauen.«
    Im Lebensmittelmarkt schieben wir unseren Einkaufswagen wortlos durch die Gänge. In den Regalen herrscht das totale Chaos. Die meisten Artikel sind bereits ausverkauft. Was bleibt, sind die beschädigten Sachen, aufgerissene Pakete und eingedellte Dosen. Wir wühlen die Reste durch, in der Hoffnung, etwas einigermaßen Brauchbares zu finden.
    Callie hält eine Schachtel mit Getreideflocken hoch. »Die hier sieht nur von außen so vergammelt aus«, sagt sie. »Der Innenbeutel ist okay.«
    Ich nicke, und sie wirft die Packung in den Einkaufswagen. Die Obst- und Gemüseabteilung ist geplündert, aber aus den Tiefen eines Kistenstapels leuchtet mir etwas entgegen. Ich bücke mich, hebe die leeren Steigen an und befördere einen Schatz ans Licht – eine einzelne Orange, so golden wie die Sonne, die im Osten aufgeht. Callie lächelt. Diese Orange ist mehr als eine Frucht; sie ist
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