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Porträt eines Starters

Porträt eines Starters

Titel: Porträt eines Starters
Autoren: Lissa Price
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das die anderen Sporen sind, die so schreien? Doch dann erinnert sie sich, dass sie gar nicht schreien können. Es ist blankes Entsetzen, das sie von sich geben. Blankes Entsetzen, das auch sie verströmt.
    Nach einiger Zeit lässt das Drehen nach und hört schließlich ganz auf. Die Spore wartet, bis ihr Schwindel nachgelassen hat, und sieht sich dann um.
    Wo ist meine Freundin?
    Sie entdeckt die Gefährtin an der Wand zu ihrer Linken und gleitet zu ihr hinüber.
    Wie geht es dir?
    Trauer begleitet ihre Antwort.
    Meine Zeit ist um. Ich habe den Test nicht bestanden.
    Verlier nicht den Mut, meine Freundin. Ruh dich ein wenig aus. Gleich wird es dir besser gehen.
    Du hast es geschafft. Du wirst deinen Weg fortsetzen. Aber du musst etwas für mich tun.
    Was immer du willst.
    Sei tapfer. Beende die Mission, so wie ich es getan hätte.
    Worin besteht unsere Mission?
    Du musst unsere Essenz verbreiten.
    Wie?
    Du wirst deinem Schicksal begegnen.
    Wann?
    Bald.
    Aber wie werde ich es erkennen?
    Du wirst es erkennen.
Barbara Woodland, im Auto, 11:20 Uhr
    Callie sitzt schweigend neben mir, während ich durch die Stadt fahre. Alles fühlt sich anders an als gestern, als seien unsere Fenster jetzt gelb getüncht, zerkratzt und getrübt. Die Leute auf den Straßen scheinen nur noch ihr Überleben im Kopf zu haben. Wie Ameisen wuseln sie ängstlich umher, jagen, sammeln und horten.
    Der Lebensmittelmarkt ist eine Meile entfernt. Ich nehme eine Abkürzung, um Zeit zu sparen. Nebenstraßen, die ich seit Monaten nicht mehr gefahren bin. In der Regel kaufen wir in den Läden der näheren Umgebung ein, aber die sind klein und jetzt vermutlich so gut wie leer gekauft. Was brauchen wir an Nahrungsvorräten im Haus? Genug für einen Monat? Für länger? Und was ist, wenn der Strom ausfällt? Sollte ich besser nicht auf Tiefkühlkost setzen?
    »Schau, Mom«, sagt Callie.
    Der bunte Minigolfplatz, auf den sie deutet, passt absolut nicht zu meinen düsteren Gedanken. Türmchen mit roten Dächern, goldene Flaggen mit blauen Sternen, alles auf Blick- und Dollarfang ausgerichtet. Und einen Moment lang ziehen mich die gelben Windmühlen magisch an, die großen hölzernen Lollis, das mit Glitzerstaub übersäte Schloss.
    »Seit wann ist der denn hier?«, frage ich.
    »Seit letztem Jahr«, entgegnet Callie. »Wollen wir nicht ein paar Runden spielen?«
    Was für ein verrückter Gedanke. Kinder! Sie können die ernsten Probleme des Lebens ausblenden, die Fragen nach dem Morgen, weil sie so fest in der Gegenwart verwurzelt sind. Sie haben noch nicht erlebt, dass die Zukunft jede Menge Enttäuschungen für uns bereithält.
    »Ich glaube nicht, dass da Betrieb ist.«
    »Doch. Das Tor ist offen.« Ihre Stimme klingt ganz aufgeregt.
    »Wir sollten jetzt wirklich unsere Einkäufe erledigen und heimfahren.« Ich gebe Gas.
    »Nur ganz kurz. Bitte.«
    »Wir sind schon dran vorbei.« Ich tue so, als hätte ich das eben erst gemerkt.
    »Bitte! Können wir nicht umkehren?«
    Ich möchte nicht, dass wir uns länger als unbedingt nötig im Freien aufhalten. Ich will ihr aber auch keine Angst einjagen. Als ich sie verstohlen von der Seite betrachte, sehe ich nicht die Sechzehnjährige, die in Kürze eine verantwortungsbewusste Erwachsene sein wird. Ich sehe eine pausbäckige Fünfjährige, die mich mit großen Augen anbettelt, am Jahrmarkt zu halten, weil sie mit dem Kaffeetassen-Karussell fahren will, bis ihr schwindlig ist.
    Ich wende mitten auf der Straße, und sie belohnt mich mit einem strahlenden Lächeln.
    Als wir den Parkplatz ansteuern, zögere ich. Die Minigolfanlage kommt mir so … leer vor.
    »Da ist keiner«, sage ich.
    »Gut. Dann haben wir den Platz für uns allein.«
    Als ich aussteige, merke ich, wie steif ich bin. Dann fällt mir der Kampf mit dem Dieb wieder ein. Ich schaue an mir herunter und sehe, dass meine Klamotten einiges an Straßenschmutz abbekommen haben. Ich säubere sie notdürftig und verstecke meine Handtasche unter dem Sitz, nachdem ich die Geldbörse herausgenommen habe. Callie streift den Riemen ihrer Handtasche achtlos über die Schulter und läuft auf das offene Tor zu.
    »Callie, jetzt warte doch!«
    Ich hole sie am Kassenhäuschen ein. Es ist unbesetzt. Sie greift sich einen der Golfschläger, die hinter dem Tresen aufgereiht sind.
    »Da, der ist für dich«, sagt sie und reicht mir einen Schläger mit langem Griff.
    »Ich weiß nicht recht …«
    Ich habe das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun. Fast so, als würde ich
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