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Porträt eines Starters

Porträt eines Starters

Titel: Porträt eines Starters
Autoren: Lissa Price
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hervor.
    Ihre neue Nachbarin rät ihr, es gar nicht erst zu versuchen.
    Was weißt du?
    Ich weiß, dass wir ein höheres Ziel haben.
    Ein höheres Ziel? Das ist gut. Weißt du, worin es besteht?
    Nein. Ich weiß nur, dass wir eines haben.
    Wie heißt du? Wie werde ich genannt?
    Wir werden alle infektiöse bakterielle Sporen genannt.
    Sporen … Ich habe einen Namen. Spore.
Barbara Woodland, in ihrem Auto, 10:00 Uhr
    Ich umklammere das Lenkrad und taste mich mithilfe der Rückfahrkamera aus der Auffahrt. Der Duft von Callies Kirschkörperöl erfüllt das Wageninnere. Ein Warnton verkündet, dass sich ein Fußgänger nähert.
    Callie dreht sich nach ihm um. »Das ist Michael.«
    »Der Typ vom anderen Ende der Straße?«
    Sie nickt. Er bleibt auf dem Gehweg stehen und lässt mich vorbei. Sieht nicht schlecht aus, der Junge. Ich sehe, wie er Callie zulächelt. Sie winkt nur kurz, ohne den kleinen Flirt zu erwidern. Sie ist sehr vernünftig, eine starke Persönlichkeit und reifer als die meisten Mädchen in ihrem Alter.
    Aber wäre sie in der Lage, sich um Tyler zu kümmern? All die Fragen, Tag für Tag, Stunde um Stunde, wenn du ein Kind großziehst. Ist das die richtige Kost für ihn? Ist der Mann, mit dem er da spricht, harmlos? Ist er wieder krank? Die Aussichten, von denen Ray sprach oder von denen ich gelesen habe, sind düster. Kids, die auf der Straße oder bei fremden Leuten leben müssen, weil ihre Häuser mit Sporen-Rückständen kontaminiert sind … Würde Callie eine sichere Unterkunft für sich und den Kleinen finden? Nahrung? Wasser?
    Das Leben wird in völlig anderen Bahnen verlaufen als bisher, wenn es tatsächlich zu diesen Sporenkriegen kommen sollte. In den Nachrichten erfährt man nichts, doch im Untergrund verbreiten sich die Gerüchte über Flyer und geheime Seiten im Netz. Manche Leute behaupten, die Schwarzmaler seien die üblichen Spinner und Weltuntergangsprediger. Aber das Ende der Welt ist meiner Ansicht nach noch nie so nahe gewesen wie jetzt.
    Ich bin versucht es Callie zu sagen. Ich möchte mit ihr besprechen, was geschehen könnte. Welche Schutzmaßnahmen sie ergreifen könnte. Aber der Lauf der Ereignisse lässt sich unmöglich vorhersagen. Wir könnten Bargeld an einem sicheren Ort verstecken, aber die Banken zahlen nur noch begrenzte Summen aus. Und wir haben keine Verwandten, die alt genug sind, um auf der Impfliste der Senioren zu stehen. Unser Pech, dass Rays und meine Eltern so früh starben.
    »Mom? Du bist am Postamt vorbeigefahren.«
    Sie hat recht. Ich muss noch einmal um den Block fahren und finde ewig keinen Parkplatz. Als wir endlich am Ziel sind, quillt die Schlange bis auf die Straße.
    »Was suchen denn all die Leute hier?«, fragt Callie.
    Wahrscheinlich holen sie ihre Post heute ab, weil sie sich darauf einstellen, ihre Häuser morgen schon nicht mehr verlassen zu können. Ich sehne mich nach den Zeiten vor der Ausweitung des Krieges zurück, als Pakete noch einmal pro Woche zugestellt wurden. Anders als in meiner Jugend wird mittlerweile unser gesamter Zahlungsverkehr elektronisch abgewickelt, aber niemand hat bislang erfunden, wie man auf diesem Wege ein Paar Schuhe herbeizaubert. Noch nicht.
    »Egal«, sage ich. »Wir kommen später her, wenn es nicht mehr so voll ist.«
    Aber ich weiß, dass wir uns wahrscheinlich im Haus verkriechen werden wie alle anderen. Gefangen von unserer Angst. Wie Kaninchen, die sich nicht aus ihren Löchern wagen. Wie lange? Eine Woche? Einen Monat?
    Wir fahren zu einer Apotheke, um die Sachen zu besorgen, die ich penibel auf einer Liste zusammengestellt habe: die neuen »Smart-Bandage«-Wundverbände, ein antiseptisches Spray, vom Arzt verschriebenes Penicillin und Reserve-Inhalatoren für Tyler. Wer weiß, wann sie wieder Nachschub bekommen? Aber der Eingang ist mit einem Rollgitter gesichert, und auf dem elektronischen Türschild steht:
    WEGEN GESCHÄFTSAUFGABE GESCHLOSSEN
    »Wie können die zumachen?«, fragt Callie. »Einfach so? Letzte Woche war hier noch voller Betrieb.«
    Das Stahlgitter verbirgt und schützt die Vorräte, die vielleicht noch auf Käufer warten. Bekamen es die Besitzer und Angestellten so mit der Angst zu tun, dass sie alles stehen und liegen ließen und abhauten? Aber wohin? Es gibt strenge Reisebeschränkungen. Oder befürchteten sie Überfälle von Mobs, die sämtliche Medikamente aus den Fächern zerren und dann verschwinden, ohne zu bezahlen? Oder die sie gar mit vorgehaltenen Waffen ausrauben?
    »Vielleicht
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