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Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues
Autoren: Gary Disher
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war und er der Mücken wegen mit den Händen um sich schlug, bemerkte er das Objekt nicht, das ihn zu Fall brachte.
    Für ein paar Sekunden war er wie benommen, es raubte ihm fast den Atem. Als er glaubte, sich wieder bewegen zu können, rappelte er sich hoch, tastete seine Rippen ab und hoffte, dass sie nicht gebrochen waren. Das Atmen bereitete ihm Schmerzen und ihm war schwindlig.
    Er setzte sich in den Sand und atmete flach, um den Schmerz in den Griff zu bekommen, um ihn zu kontrollieren. Es war nicht die Wurzel einer Mangrove, die er mit seinem Schienbein gerammt hatte, auch kein knorriger Baumstamm — dieses Hindernis war etwas, was die Jahrhunderte unverändert überdauert hatte und jetzt seine Rettung werden sollte.
    Wyatt stand auf. Der Ausleger verlief parallel zum Kanu und war aus einem starken Ast von etwa zwei Meter Länge gefertigt worden, an beiden Enden spitz zulaufend und so geformt, dass er mühelos das Wasser teilen konnte. Zwei Bambusstangen von etwa drei Meter Länge stellten die Verbindung zwischen Ausleger und Kanu her. Der Rumpf des Kanus war ein Einbaum. Selbst in der Dunkelheit war für Wyatt zu erkennen, dass beides, der Ausleger und das Kanu, in leuchtenden Farben gestrichen war. Die einzige Konzession an das 20. Jahrhundert war die ›Leine‹, keine Bastfasern oder Reben, sondern ein Nylonseil.
    Wyatt hob das Kanu an. Das Paddel lag darunter und musste ursprünglich ein ganz normales Brett gewesen sein, vermutlich als Strandgut angespült. Er versuchte, sich den Besitzer oder die Besitzerin des Kanus vorzustellen; jemanden, der es nirgendwo sonst unterbringen konnte; jemanden, der vor dem Teil der Insel fischte, in dem nur Eingeborene lebten, weit weg von den Europäern, die in der kleinen Republik immer noch das Sagen hatten.
    Er bugsierte das Kanu über den Sand hinunter ins Wasser. Durch sein Gewicht lag es tief und er watete hinaus, bis das Wasser Taillenhöhe erreicht hatte. Die Kühle und Frische verhalf ihm, Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Während der nächsten Minuten beobachtete er den schmalen Streifen Wasser, der Reriki Island von der Hauptinsel trennte. Die Besatzungen der Barkassen konzentrierten sich bei ihrer Suche momentan auf die Yachten und die beiden Anlegestellen für die Inselfähre. Dorthin wollte Wyatt sowieso nicht. Für seine Überfahrt hatte er eine Stelle gewählt, wo der Hafen dunkel war und Sicht kaum möglich. Führe er jetzt los, wäre er nicht auszumachen.
    Er kletterte in das Kanu und fing an zu paddeln. Seine geschundenen Rippen sandten Schmerzen aus, die ihm Tränen in die Augen trieben, doch das kleine Auslegerboot war wie ein Pfeil, so schnell glitt es mit ihm durch das ruhige Gewässer, vorbei an abgewrackten Dampfern, zwischen rostigen Bojen hindurch, hinüber zu De Lisle.

VIERZIG

    Kaum war er auf dem dunklen Wasser, sah er, dass es mitnichten nur dunkel war. Wyatt gelang es, das Paddel so einzusetzen, dass kein Wasser in das Kanu schwappte und er keine Energien verschleuderte, nur weil er zu schnell war oder den Kurs nicht halten konnte. Er nahm das Meeresleuchten um sich herum wahr, die Spiegelungen der Küstenlinie und schließlich auch die intensive Färbung des Wassers selbst, die er nicht hätte beschreiben können. Links von ihm, weit entfernt, hörte er Rufen, immer wieder übertönt vom Geklapper der Takelagen an den Masten der großen Yachten, die sanft vor Anker schaukelten.
    Wyatt erinnerte sich an einen Coup, den er vor gut einem Jahrzehnt vor der nordaustralischen Küste hatte durchziehen wollen. Bergungstaucher hatten in der Nähe von Broom eine holländische DC-3 in einer Tiefe von vierzig Metern gefunden. Die DC-3 hatte dort seit 1942 gelegen, und ein Mitglied des Bergungsteams hatte den Fehler begangen, in einem Pub herauszuposaunen, dass ursprünglich eine Hand voll flüchtiger holländischer Offiziere aus Java an Bord gewesen seien und mit ihnen ein Kästchen Diamanten. Wyatt und ein professioneller Taucher hatten sich als Erste Richtung Wrack aufgemacht. In wenig mehr als dreißig Meter Tiefe, belastet mit Sauerstoff-Flasche, Unterwasserlampe, Axt und Messer, hatte Wyatt die ersten Anzeichen eines euphorischen Zustandes gespürt, als sich durch den erhöhten Druck mehr Stickstoff in seinem Blut löste. Er hatte den Begriff Tiefenrausch bereits zuvor gehört, doch jetzt sollte er erfahren, was darunter zu verstehen war. Er hatte sich entspannt gefühlt, war guter Dinge gewesen und zu Scherzen aufgelegt und er hatte die
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