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Poppenspael

Poppenspael

Titel: Poppenspael
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Alte endlich tot ist,
dann wird aus seinem Revier jetzt mein Revier.
    Und die Moral von der
Geschicht? Rache ist süß, doch bitter sind die
Folgen.

1
    Das Mondlicht
fällt durch die Baumkrone der Buche auf seine rechte
Handfläche. Die Haut schimmert wie bleiches Pergament.
Mörderhand, spricht eine befremdliche Stimme in seinem Kopf.
Er bewegt seine Finger, biegt sie leicht nach vorn. Es ist eine
Kralle.
    Mörderhand.
    Er streift ein Paar
hellbraune Wildlederhandschuhe über beide Hände. Die
Stimme im Kopf bleibt. Sie klingt sphärisch, als käme sie
von weit entfernt aus dem Jenseits und würde mahnend seine
präzisen Handgriffe kommentieren.
    Mörderhand,
Mörderhand.
    Doch sein Entschluss
ist gefallen.
    Gestern war er bereits
schon einmal hier gewesen, hatte sich über zwei Stunden im
Park herumgetrieben. Er brachte aber nicht den Mut auf, die
geplante Tat wirklich auszuführen. Irgendetwas war ihm nicht
geheuer vorgekommen. Auch in der Stadt herrschte den ganzen Tag
über eine ungewohnte Aktivität, für einen Sonntag
waren viel zu viele Menschen auf den Beinen. Später konnte er
sich die rätselhafte Tatsache erklären, in den
Nachrichten wurde über die stattgefundene Bundestagswahl
berichtet. Die hatte er in seiner Organisation vollkommen vergessen
gehabt.
    Seine rechte Hand
greift in die Jackentasche. Die Fingerkuppen tasten nach der Waffe,
spüren durch das dünne Leder den geriffelten
Bakelitgriff. Die Finger legen sich darum und ziehen die Waffe
heraus. Sie fühlt sich hart und schwer an.
    Mörderhand!
    Ein intensiver Blick
kontrolliert, ob das Magazin fest eingerastet ist. Im hellen
Mondlicht kann er die feine, eingravierte Schrift auf dem hinteren
Pistolenlauf lesen.
    ›CZ 75, CAL 9,
Brünner.‹
    Daumen und Zeigefinger
pressen sich fest gegen den Schlitten und ziehen ihn nach hinten.
Der Riegelkamm am Ende des Laufs wird aus den Nuten des Schlittens
gedreht. Lauf und Patronenlager sind nun vom Schlitten getrennt.
Der Mann zieht ihn bis zum Anschlag und lässt ihn wieder los.
Auf seiner Stirn sickert Schweiß durch die Poren. Kleine
Perlen bilden sich.
    Mörderhand!
    Die gespannte
Verschlussfeder drückt den Schlitten zurück. Die
Unterkante greift in die Rille am Boden der Patronenhülse und
streift sie über die Rampe ins Patronenlager. Der Schlitten
verriegelt sich mit Lauf und Patronenlager. Gleichzeitig wird der
Schlagbolzen gespannt. Die Waffe ist scharf.
    Die Stimme im Kopf
verstummt. Er drückt seinen Körper an die Rinde der
Buche, richtet den Lauf der Waffe auf den Boden und schaut auf die
Armbanduhr. Es ist genau 23.13 Uhr.
    Im Husumer Schlosspark
ist kein Mensch zu sehen. Vor zwei Tagen war Vollmond, und das
diffuse Licht wirkt gespenstisch. Scherenschnittartig stehen die
alten Bäume um ihn herum, recken ihre bizarr gewachsenen
Äste zum Himmel hinauf. Ein entferntes Lachen lässt
seinen Kopf herumfahren. Rechts von ihm, Richtung Erichsenweg,
biegen drei Gestalten auf den breiten Sandweg und schlendern direkt
auf ihn zu. Einen Moment später kann er erkennen, dass es
Frauen sind. In seiner Brust beginnt sein Herz zu hämmern, als
würde es zerspringen. Er möchte schlucken, doch sein Hals
ist zu trocken. Das Blut sackt aus dem Kopf. Sein Körper
funktioniert wie von selbst.
    Die Finger der linken
Hand tasten nach der Wollmütze, die in der Innentasche seiner
Jacke steckt, und ziehen sie heraus. Mittel-, Ring- und kleiner
Finger der rechten Hand halten die Pistole, während Daumen und
Zeigefinger der linken Hand helfen, die Mütze über den
Kopf zu ziehen. Für die Augen hat er zwei kleine Löcher
mit der Schere hineingeschnitten. Die Frauen auf dem Sandweg haben
ihn fast in seinem Versteck erreicht, er kann ihr Gespräch
beinahe verstehen. Vorsichtig späht er hinter dem Baumstamm
hervor. Die Gesichter der drei sind deutlich zu
erkennen.
    Ein tiefer
Atemzug.
    Volle
Anspannung.
    Ein Ruck fährt
durch seinen Körper. Nach sieben Schritten steht er mit
gestreckten Armen, die Pistole in den Händen, mitten auf dem
Sandweg. Die Frauen bleiben wie angewurzelt stehen, das Entsetzen
spiegelt sich in ihren Augen wider. Für mehrere Sekunden
herrscht Totenstille, bis die Ältere mit der Brille einen
spitzen Schrei ausstößt und die junge Frau rechts von
ihr ein schrilles »Nein!« schreit.
    Die Fingerkuppe seines
Zeigefingers presst auf den leicht gebogenen Abzug der Waffe, zieht
ihn nach hinten. Der abgerundete Metallsteg drückt einen roten
Striemen in die Haut.
    Im Bruchteil einer
Sekunde
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