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Pommes rot-weiß

Pommes rot-weiß

Titel: Pommes rot-weiß
Autoren: Christoph Güsken
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versuchte es trotzdem, so viel war ich jemandem schuldig, der ein fürstliches Honorar zahlen würde. Aber schon als ich den ersten vorsichtigen Schritt in den Garten machte, war der Typ verschwunden. Hinter dem Panoramafenster stand Martens und deutete mit ausholender Geste nach links. Ich rannte los.
    Mein Sprint war nicht umsonst. Kaum eine Minute brauchte ich bis zum Ortseingang und schon entdeckte ich den vermeintlichen bösen Geist, wie er vor einer aschgrau getünchten Fassade eines Einfamilienhauses Tarnung suchte. Leider war an Anschleichen nicht mehr zu denken. Der Mann hatte mich schon bemerkt, schob sich an der Mauer entlang und verschwand um die Ecke Richtung Haustür. Durch die Gardinen warf ich einen Blick ins Halbdunkel des Wohnzimmers. Düstere, dunkelbraune Möbel, auf der Fensterbank ein Kanarienvogel in seinem Bauer und auf der kitschigen Tapete das Porträt eines Greises mit einem seltsam starren Blick. Nicht gerade die Art, wie ich mir einen Unterschlupf eines Inkasso-Terroristen vorstellte. In dem Moment, in dem ich meinen Blick abwandte, weil ich plötzlich erkannte, dass das starrende Gesicht gar kein Porträt war, sondern ein Bewohner des Hauses, sah ich den Schwarzen, wie er hinter der Garage hervorsprang und die Straße hinunterjagte.
    Ich verfolgte ihn bis in die Fußgängerzone, aber lange hielt ich nicht mehr durch. Wieder einmal zeigte sich, dass Nichtrauchen allein zu wenig ist, um fit zu bleiben. Als ich über ein Kinderfahrrad stolperte und in einer Pfütze aus Pommes und Majo ausrutschte, gab ich auf. Von Seitenstichen geplagt, schleppte ich mich zurück.
    Martens erwartete mich vor dem Haus. Er stand genau da, wo bis eben noch die Gestalt verharrt hatte, und zog besserwisserisch die Stirn in Falten. »Wie ich Ihnen gesagt hatte, nicht wahr? Er verdrückt sich einfach.«

2
     
     
     
    Mein Besuch bei Martens hatte nicht länger als eine Dreiviertelstunde gedauert. Der Rest des Nachmittags ging für die Rückfahrt drauf. Unterwegs vertrieb ich mir die Zeit, indem ich versuchte, die Durchschnittsgeschwindigkeit zu errechnen, wenn man alle fünf Minuten eine Strecke von circa acht Metern zurücklegte. Wenn ich mich nicht verrechnet hatte, würde ich für die läppischen zwanzig Kilometer länger brauchen als die Raumsonde Voyager zum Saturn. Ich sah die Tonnen und Abertonnen von Blech auf Rädern und fragte mich, wo die in der Stadt alle parken wollten.
    Als ich vor unserem Büro ankam, erfuhr ich die Antwort: genau hier. Es war eine kritische Zeit. Die Kneipen hatten schon geöffnet und draußen auf dem Land ließen Tausende von Bergheimern den Motor aufheulen, um sich dem großen Marsch auf die Stadt anzuschließen. Um diese Zeit war es nicht ungefährlich, einen Fuß auf die Straße zu setzen, denn wenn man ihn nur eine Sekunde länger als nötig stehen ließ, musste man erst ein Auto abschleppen lassen, um ihn wieder freizubekommen. Ich überlegte, einfach nach Hause weiterzufahren. Aber erstens war die Parkplatzsituation da noch schlimmer und zweitens musste ich dringend noch ein wenig aufräumen, weil Henk, mein Partner, Anfang der nächsten Woche aus dem Urlaub zurückkehren würde. Da ich das Datum vergessen hatte, hatte ich irrtümlich schon vor acht Tagen für Ordnung gesorgt, und von der konnte inzwischen keine Rede mehr sein. Drittens wurde gerade jetzt ein Parkplatz frei.
    Es irritierte mich ein bisschen, dass die Tür zum Büro offen stand. Drinnen schlug das ganze Ausmaß der Unordnung über mir zusammen. Es sah aus, als hätten die Möbel untereinander einen Bürgerkrieg ausgetragen. Wie sollte ich das nur an einem Wochenende schaffen? Praktisch nichts in dieser Wohnung stand noch an seinem alten Platz. Und Henks Büro hatte es am schlimmsten erwischt. Sein schwerer Schreibtisch war vornübergekippt und die Schubladen, in denen er seine Comics aufbewahrte, herausgerissen, der Inhalt war wie ein Niederschlag über den gesamten Boden verstreut.
    Dieses Chaos war eigentlich merkwürdig, wenn man bedachte, dass sich die ganze Zeit über niemand in Henks Bereich aufgehalten hatte.
    Ich wollte Luft holen, um zu fluchen, aber dazu kam ich nicht mehr.
    Ein stählerner Arm packte mich von hinten und drückte mir die Luft ab. Von außen war er mit menschlicher Haut überzogen, auf die eine Gottesmutter mit Heiligenschein tätowiert war. Ein Pfarrer als Killer…
    Ich röchelte. Vor mich trat ein zweiter Mann, er war einen Kopf größer als ich und trug Klamotten, wie ich sie
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