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Pommes rot-weiß

Pommes rot-weiß

Titel: Pommes rot-weiß
Autoren: Christoph Güsken
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Schwester, ist völlig anders. Die lässt so schnell keinen Narren aus sich machen. Die weiß, was sie will, und gibt nicht aus Ängstlichkeit gleich die Hälfte wieder ab.«
    »So wie ihr Bruder.«
    »Um sich interessant zu machen, flüchtet er sich in eine Traumwelt. Denkt sich Sensationen aus, schreckliche Ereignisse. Das tut er heute noch und hier fängt unser Problem an.«
    »Das hört sich aber an, als sei er ein Fall für einen Psychologen.«
    Martens verzog das Gesicht. »Psychologen. Die nageln seinen linken Fuß fest und lassen ihn so lange um sich selbst kreisen, bis er das Gefühl hat, viel herumgekommen zu sein.« Er grinste. »Weil ich keinen Psychodoktor will, habe ich mich an Sie gewandt. Sie sollen Licht in seinen Schlamassel bringen.«
    »Und worin besteht der Schlamassel?«
    Martens winkte mit dem Daumen zu der einzigen Sehenswürdigkeit, die das Panoramafenster zu bieten hatte: dem Mann in Schwarz. »Das sollen Sie herausbekommen. Der da unten hat wahrscheinlich damit zu tun. Tilo ist mir gegenüber verschlossen, er sagt nicht, was er so treibt in seiner Freizeit. Und wenn doch, dann kommt er mit diesen Mordgeschichten.«
    »Mordgeschichten?«
    Er trat an den Schreibtisch und zog eine Schublade auf. Dann hielt er einen Revolver in der Hand. »Wenn Tilo im Berufsverkehr stecken bleibt, redet er von einer Massenkarambolage. Ein Regenschauer ist für ihn eine Naturkatastrophe. Er dramatisiert alles.«
    »Dann hält er das also für eine Maschinenpistole?«
    Martens schüttelte den Kopf. Wie zufällig hielt er die Waffe auf mich gerichtet. »Er behauptete, Zeuge eines Mordes gewesen zu sein. Beziehungsweise mehrerer Morde. Dann stellte sich heraus, dass die angeblichen Opfer quicklebendig waren. Es hat nie einen Mord gegeben. Alles Einbildung. Wichtigtuerei.«
    »Und das?«, fragte ich und deutete auf den Lauf, der auf mich gerichtet war. »Kommt mir nicht wie Einbildung vor.«
    »Tilo behauptet, man will ihm etwas anhängen.« Guido Martens senkte die Waffe und überreichte sie mir. Ein hässlicher, kleiner Revolver.
    Ich deutete auf den zerschrammten Griff. »Nicht gerade neu, das Ding.«
    »Tilo behauptet, es in seiner Wohnung gefunden zu haben. Am Tatort, sozusagen.«
    »Seine Wohnung ist…?«
    »Alle Morde passieren in seiner Wohnung. Dort liegen alle Toten, die dann auf wundersame Weise mit dem Leben davonkommen.«
    »Und was glauben Sie, woher die Waffe stammt?«
    Martens schwenkte seine Tasse in meine Richtung. »Durchaus möglich, dass er sie sich besorgt hat, nur um seine Umwelt dazu zu zwingen, ihm die Horrorgeschichten abzukaufen. Ein Psychiater würde das wahrscheinlich so sehen. Aber ich möchte sichergehen, dass nicht doch etwas anderes dahinter steckt.«
    »Sie meinen, ob Ihr Sohn vielleicht doch nicht spinnt? – Entschuldigung, ich meine: sich das nur einbildet.«
    »Vielleicht bildet er sich alles nur ein. Aber das heißt nicht, dass nicht trotzdem jemand ein übles kleines Spiel mit ihm spielen kann. Zum Beispiel der da draußen.«
    Wieder hatte der Mann das Gewicht auf das andere Bein verlagert. Ansonsten stand er unbeweglich da wie eine Statue. Ich mochte wetten, dass man sich von hinten an ihn heranschleichen und ihm lässig die Hand auf die Schulter legen konnte.
    »Und wenn Sie ihn einfach fragen, was er will?«
    Martens machte ein amüsiertes Gesicht. Er griff nach seiner Tasse und schlürfte Tee, ohne den Schwarzen aus den Augen zu lassen. »Sie meinen, ihn schnappen, so reglos, wie er ist?«
    »Genau. Es kann eigentlich nicht schwieriger sein, als eine Vogelscheuche zu jagen.«
    »Probieren Sie’s. Es sieht einfacher aus, als man denkt.«
    Er konnte das beurteilen. Wenn ich morgens missmutig und verschlafen an meinem Toast knabberte, hatte er vermutlich schon einen Waldlauf und zweihundert Liegestützen hinter sich. Wenn er den Kerl nicht gekriegt hatte, brauchte ich das erst gar nicht zu versuchen.
    »Henning sagte, dass Sie der Richtige für so eine Sache sind.«
    In meinem Job konnte man es nicht hoch genug einschätzen, von einem zufriedenen Klienten weiterempfohlen zu werden. Auch wenn einem dieser Klient völlig unbekannt und wohl der Letzte war, der beurteilen konnte, ob ich für eine Sache der Richtige war.
    »Grüßen Sie ihn von mir«, sagte ich.
    »Wir haben es schon x-mal versucht«, erklärte Martens, der meinen Blick aus dem Fenster richtig deutete. »Er verdrückt sich in Windeseile und verschwindet, als sei er tatsächlich ein böser Geist.«
    Ich
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