Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Polterabend

Polterabend

Titel: Polterabend
Autoren: Alfred Komarek
Vom Netzwerk:
haben, Inspektor, also kann ich es mir erlauben, um diese Zeit zu stören. Fast eine Ewigkeit her, unsere nächtliche Eisweinlese, wie? Das Wetter war damals so ähnlich wie heute. Klarer Himmel, sehr kalt. Und ich denke mir, der Kreis sollte sich schließen, allen widrigen Umständen zum Trotz.«
    »Und deshalb rufen Sie jetzt an?«
    »Ja. Ich möchte mich bei Ihnen und den anderen mit einer kleinen Weinkost für die Hilfe bei der Lese bedanken. Gehört sich so. Den Friedrich Kurzbacher und den Sepp Räuschl rufe ich nach dem Frühstück an. Paßt acht Uhr abends, Herr Polt?«
    »Gut, warum nicht?«
    Als Polt am frühen Morgen vor die Tür der Dienststelle trat, war ein heller dunstiger Wintertag angebrochen. Die geschlossenen Häuserfronten von Burgheim wirkten nicht mehr massiv, sondern leicht, mit verwischten Konturen, als hätte sie jemand mit Wasserfarben flüchtig ins Weiß gemalt. Gemächlich ging Polt nach Hause, tröstete seinen wehklagenden Kater mit einem wohlgefüllten Futternapf und rief Karin Walter an. Sie war in der Schule, doch nur, um sich ein paar Tage frei zu nehmen.
    »Wir müssen miteinander reden, Karin!«
    »Wenn du meinst...«
    »Ich komme zu dir nach Brunndorf - gegen zwei, wenn’s recht ist.«
    »Ja.«
    Polt war sehr müde, lag aber trotzdem lange wach. Erst gegen Mittag schlief er ein und träumte unruhig. Als er nach einer guten Stunde aufwachte, fand er nur mit Mühe in die Wirklichkeit zurück. Er duschte heiß und kalt, doch die Knitterfalten im Gesicht blieben. Polt schaffte es, gerade noch pünktlich bei Karin Walter zu sein. Sie stand in der offenen Tür und schaute ihm ernst entgegen. »Hallo, Simon, ist dir ein kleiner Spaziergang recht?«
    »Alles, was du willst.«
    »Dann gehen wir zum Wiesbach hinüber.«
    »Aber... dort ist auch der Eislaufplatz.«
    »Eben. Ausweichen bringt nichts.«
    Sie gingen schweigend durchs Dorf. Ein schmaler Weg führte das Wiesbachufer entlang. Vor einer kleinen Buschgruppe blieb Polt stehen. »Wie geht’s den Buben, Karin?«
    Ein müdes Lächeln war in ihrem Gesicht. »Gut, den Umständen entsprechend. Der Toni ist schon zu Hause, und der Herbert kommt auch bald aus dem Spital. Keine Schädelfraktur, gottlob. Die tiefe Wunde neben dem Auge ist genäht, und das gebrochene Handgelenk wird auch wieder.« Jetzt lachte Karin leise. »Nur ich bin ziemlich nachhaltig beschädigt.«
    »Meine Schuld.«
    »Was redest du da? Du warst ein Gendarm ohne Fehl und Tadel. Sogar außerhalb deiner Dienstzeit. Und erfolgreich warst du auch, was die Informationsbeschaffung angeht.«
    »Diese Ohrfeigen hab ich verdient, Karin. Aber ich pfeif auf den Gendarmen. Der Simon Polt hätte dich nicht ablenken dürfen.«
    »Gehören die zwei nicht zusammen? Aber ganz abgesehen davon. Ich hab versagt, und da gibt es nichts zu entschuldigen. Daß so etwas schulische und vielleicht auch strafrechtliche Konsequenzen hat, ist selbstverständlich. Aber vor allem muß ich mich fragen, ob ich Lehrerin bleiben kann.«
    »Keine Panik, Karin. Aus Fehlern lernt man doch. Gilt erst recht für mich.«
    »Und wie stellst du dir den nächsten Schulausflug vor? Entweder bin ich ängstlich und viel zu streng, oder ich übertreibe in die andere Richtung, nur um mir zu beweisen, daß es schon wieder geht.«
    »Hast du schon mit den Eltern der Buben reden können?«
    »Ja. Die machen mir keine großen Vorwürfe. Aber das ändert nichts.« Karin stellte sich auf die Zehenspitzen, nahm Polts Kopf zwischen beide Hände und gab ihm einen raschen Kuß. »Weißt was, Simon? Mit mir ist es schlecht auszuhalten derzeit, und dir geht’s auch nicht so besonders. Ich brauche Ruhe zum Nachdenken, und du mußt deine Arbeit zu Ende bringen.«
    »Bin ich dir also lästig, Karin?«
    »Siehst du, es fängt schon an. In so einer Situation sagt man immer das Falsche.« Karin wandte sich ab.
    »Also gut, ich bring dich nach Hause.«
    »Laß nur. Ich kenn den Weg.«
    »Da wären wir also wieder!« Karl Fürnkranz stand vor seiner Weinpresse. Polt sah, daß sie gesäubert war. Unter dem Balken stand ein unversehrter Preßkorb. Der Weinbauer wies mit einer knappen Bewegung des Kopfes darauf hin. »Vom Gappmayr. Der wollte Brennholz daraus machen. Ich habe anständig bezahlt dafür, und jetzt fragt sich der alte Geizhals bestimmt, ob es nicht doch ein schlechtes Geschäft für ihn war.«
    Sepp Räuschl lachte unsicher. »So und nicht anders wird man reich, Karl.« Er warf der Presse einen scheuen Blick zu. »Gehen wir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher