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Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen
Autoren: Alfred Komarek
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Traktoren unterwegs, die Anhänger hoch mit Futterrüben beladen. Polts Atem ging schneller, als er die leicht ansteigende Straße zwischen Brunndorf und der Kellergasse hinter sich hatte.
    Die Tür von Josef Schachingers Preßhaus stand tatsächlich offen. »Ich bin’s, Simon Polt!«
    »Nein, so eine Überraschung!« klang es aus dem Keller herauf. Der Weinbauer hatte eine Flasche von jenem Rotwein vor sich stehen, den Polt inzwischen nur zu gut kannte. »Ich habe Sie später erwartet, Herr Inspektor. Dann wäre ich wenigstens schon so richtig schön besoffen gewesen.«
    Polt setzte sich zu ihm. »Aber Sie werden einen klaren Kopf brauchen, in nächster Zeit.«
    »Noch so ein guter Ratschlag, und Burgheim braucht einen neuen Gendarmen.«
    »Sie können mich noch immer nicht leiden, wie?«
    »Nehmen Sie’s nicht persönlich. Ich habe was gegen Uniformen.«
    »Sehen Sie eine?«
    »Nein. Heute sind Sie als Zivilist verkleidet. Trinken Sie was?«
    »Im Augenblick ist mir die Lust dazu vergangen.«
    »Versteh ich nicht. Sie haben doch, was Sie wollten. Und gleich viermal.«
    Polt spürte, daß irgendeine Sicherung durchbrannte. »Verdammt noch einmal, vielleicht haben Sie recht. Stoßen wir also darauf an.«
    Damit begann einer der seltsamsten Vormittage, die Polt je erlebt hatte. Erst tranken die beiden Männer schweigend, dann fing Schachinger an zu erzählen, wie er seine Frau kennengelernt hatte, drüben, bei den Tschechen, die er ja sonst nicht so mochte. Vom Autohändler erzählte er, der ihn neulich hatte betrügen wollen, und vom einzigen Urlaub, den er sich je gegönnt hatte: in Spanien, wo der Wein zum Wegschütten war. Irgendwann hörte sich Polt von seinem Kater Czernohorsky erzählen und von der Lehrerin, die er rein beruflich äußerst schätze. Nach einer ungemessenen Spanne Zeit trat er ans Tageslicht und schob sein Fahrrad neben sich her, bis er Friedrich Kurzbachers Keller erreicht hatte.
    Sein Freund stand vor dem Preßhaus. »Grüß dich, Simon«, sagte er. »Es ist drei Uhr Nachmittag und du hast einen Rausch.«
    Simon Polt sah den Tatsachen schweigend ins Auge. Kurzbacher schob ihn ins Preßhaus, ging zu einem kleinen Kasten, hantierte an einer Konservendose herum und stellte sie geöffnet auf den Tisch. »Da, iß. Sardinen, fett und scharf. Das hilft vielleicht.«
    Polt aß und fragte zwischen zwei Bissen: »Und wer stellt mir Sardinen hin, wenn du nicht mehr da bist, Friedrich?«
    Der Kurzbacher zögerte keinen Augenblick. »Mein Schwager, der Otto, du kennst ihn. Alles schon organisiert, mein Lieber.«
    »Und deine Frau?«
    »Die wird wohl zur Tochter ziehen, wo sie doch ihre Enkel so gern mag.«
    Langsam konnte Polt wieder geradeaus denken. »Und wenn ich nicht nachlasse, bis ich den von euch gefunden habe, der’s wirklich war?«
    »Dann wirst du wahrscheinlich auf mich kommen. Ich bin am nächsten dran und habe allen Grund dazu gehabt, den Hahn zum Teufel zu schicken.«
    »Du warst es aber nicht.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Und warum der alte Stepsky sagt, daß ich dir helfen soll, verrätst du mir auch nicht?«
    »Der redet viel, wenn der Tag lang ist.«
    »Morgen bin ich wieder im Dienst. Ich werde einen Bericht schreiben müssen. Und dann bin nicht mehr ich für euch zuständig.«
    »Dann kommen so richtig harte Burschen, was?«
    »Das ist kein Spiel, Friedrich.«
    Der Kurzbacher schaute ein paar Sekunden ins Leere. »Jetzt kann aber keiner mehr zurück, und es will auch keiner mehr zurück.«
    »Ich möchte noch mit dem Brunner Karl reden.«
    »Kannst du, ich habe ihn gerade vorhin bei seinem Preßhaus gesehen.«
    »Also dann!« Polt stand auf. Nach ein paar Schritten hörte er Kurzbacher rufen: »Simon!«
    »Ja, Friedrich?«
    »Paß mit dem Trinken auf!« Natürlich spürte Polt noch immer die Wirkung von Schachingers Rotwein, aber sie spielte sich irgendwo im Hintergrund ab. Wenn die Anspannung erst einmal nachließ, war es mit den nüchternen Gedanken wohl auch wieder vorbei.
    Karl Brunner war in seinem großen Keller damit beschäftigt, die Fässer sauberzuwischen. Er nickte Polt freundlich zu. »Ist jetzt nicht mehr so wichtig, wie sie ausschauen, aber es gehört sich halt so.«
    Polt schaute sich um: ein großer, schöner, aufgeräumter Keller, ein dunkles Königreich für einen Mann. »Entschuldigen Sie, wenn ich so was frage: Sie waren nie verheiratet, Herr Brunner?«
    »Nein. Ich war’s schon ganz gern gewesen, aber die Zeit hat nie richtig gepaßt. Als ich zur Welt
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