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Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen

Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen

Titel: Polski Tango - Eine Reise durch Deutschland und Polen
Autoren: Adam Soboczynski
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heißt »Ruhm«. Es handelt vom überreizten Literaturbetrieb:
    »Stets im oktober (an meinem geburtstag)
    fragen die mich ob ich mich freue
    daß ein anderer den nobelpreis bekam.«
    Der polnische Dichter wurde in Stockholm früh gehandelt; früher als Grass, wie er anmerkt. Mit ihm war er befreundet, einstmals.
     Doch jetzt seien viele frühere Bekannte vom literarischen Geschäft derart eingespannt, daß sie nur noch über ihre Sekretärinnen
     kommunizierten. Und so sucht er in Berlin die Toten auf: Auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof schaut er sich |186| das Grab von Heiner Müller an. Mit ihm ist er zweimal zusammengetroffen – zum literarischen Gespräch. Den Geruchstest scheint
     der Kettenraucher nicht überstanden zu haben. »Diese Zigarren …«, erinnert sich Różewicz. Mehr mag er über Müller nicht sagen.
    Es mag an der lakonischen Kürze derartiger Sätze liegen, am plötzlichen Schweigen, am immer wiederkehrenden Refrain des »darüber
     möchte ich nicht sprechen«, daß Różewicz’ Werk – ohne Zweifel eines der düstersten Zeugnisse des Weltkriegstraumas in der
     polnischen Literatur – eng mit dem Bild seines Autors verschmolz. Doch der bitterste Literat Polens, er erscheint in Berlin
     als heiterer Grandseigneur: Schließlich könne man nicht weinen, sagt er, »wenn man spricht«.
    Abends bereitet ihm die polnische Botschaft einen Empfang. Es wird Sekt getrunken, und es gibt Häppchen mit Lachs und mit
     Käse. Und alle, da sich alle irgendwie kennen auf diesem Empfang, schütteln sich die Hände. Als Różewicz auf die Bühne tritt,
     setzen sich die Besucher auf die Stühle.
    Ein bißchen Ruhm also für Różewicz an diesem Abend. Immerhin. Wenn auch kein Literaturpreis. Er liest seine Gedichte: leise
     und präzise. Am Ende, als die große Fragerunde für die Besucher eingeläutet werden soll, wirft er einen schalkhaften Blick
     in die Runde: »Wir können diskutieren«, sagt er knapp, »aber warum?«
    Mehr sagt er nicht.

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IN BERLIN
    EIN FREUND, der Journalist ist, hat mich eingeladen. Jetzt sitze ich in seiner Küche. Wir trinken ein paar Bier, blicken aus
     dem Fenster auf einen Hinterhof und kommen sehr grundsätzlich, da ich so lange verreist war, auf Polen zu sprechen. Mein Journalistenfreund
     behauptet, es gebe derzeit genau zwei Typen von Polen, die in Deutschland wahrgenommen werden: die polnische Putzfrau und
     der polnische Künstler. Polnische Malerei sei derzeit sehr angesagt, sie erziele auf Auktionen stolze Preise. Er habe da einen
     gutsituierten Bekannten, der in hoher Frequenz teure polnische Kunst einkaufe. Sie staple sich regelrecht in seiner Wohnung,
     auch zahlreiche Maciejowskis. Dieser Sammler habe aber auch eine polnische Putzfrau. Und nun habe er Angst, daß die polnische
     Putzfrau, die von etwas hektischem Gemüt sei, ihm versehentlich beim Putzen die polnische Kunst beschädigen könnte.
    Wir stoßen an. Ich stimme ihm zu. Im Kern kommt diese Typologie der Wahrheit sehr nahe. Es gibt in Berlin einen Club, der
     »Club der polnischen Versager« |188| heißt. Er ist gewissermaßen der polnische Ostblock-Ableger vom »Kaffee Burger«, der wenige Meter entfernt liegt und die Russen
     mit russischer Musik und die Deutschen mit nie versiegender Ostalgie versorgt.
    Im »Club der polnischen Versager«, anders als im »Kaffee Burger«, wird nur selten getanzt. Statt dessen werden dort sehr ambitionierte,
     sehr lange und komplizierte Filme von Andrzej Wajda aus kommunistischer Zeit an die Wand projiziert. Manchmal kommen die Besucher,
     zumeist Deutsche, sehr zahlreich und raunen und nicken zwischen zwei Schlucken Beck’s, während sie auf die Leinwand blicken.
     In dem Club gibt es auch Polen. Sie stehen hinter dem Tresen, sind aber, den zumeist deutschen Besuchern gegenüber, zahlenmäßig
     unterlegen. Die Besucher, vom Film ermattet, sitzen in Retro-Möbeln und dösen vor sich hin. Es macht sich das wohlbekannte
     Berlin-Gefühl breit: Das Temperament in der Kneipe kommt dem eines Schlaganfallpatienten gleich. Zwei Stehlampen spenden spärliches
     Licht, alle sind irgendwie 35 Jahre alt, tragen Turnschuhe und stecken in glücklichen Beziehungen. Also in langweiligen.
    Das wird dem »Club der polnischen Versager« natürlich nicht gerecht. Und Berlin auch nicht. Es gibt in dem Club nämlich auch,
     dies zu seiner Verteidigung, geradezu berauschende Abende. Vor allem dann, wenn ein Besucher, ein gedrungener Mann um die
     40, eintritt, sich
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