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Polivka hat einen Traum (German Edition)

Polivka hat einen Traum (German Edition)

Titel: Polivka hat einen Traum (German Edition)
Autoren: Stefan Slupetzky
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da verlier, werd ich woanders eine neue finden. Im Übrigen», fügt Sir Hannes hinzu, «war ich den ganzen Tag hier im Lokal, falls Ihnen damit geholfen ist.»
    «Und wer kann das bestätigen?»
    «Der Stammtisch. Jedenfalls von zwölf bis vier, da waren die meisten Herren von der Runde da.»
    «Und der Jeschko?»
    «Ist so gegen eins gekommen und hat sich dazugesetzt.»
    «Zum Stammtisch?»
    «Sicher. Unser Schankraum ist ja nicht so groß, da muss ein jeder schauen, wo er sein Platzerl findet.»
    «Sagen S’, kommen die Herren heute Abend vielleicht wieder?»
    «Mit den Herren ist es wie mit dem Teufel. Wenn man von ihm spricht …» Sir Hannes deutet zur Tür, durch die gerade vier Männer in blauer Arbeitskleidung den Raum betreten. «So, jetzt bitt ich Sie, mich zu entschuldigen, und noch einmal danke für das Bier.»
    Während sich Sir Hannes zur Budel begibt, setzen sich die vier Männer an Polivkas Nebentisch. «Hannes, vier Seideln!», ruft einer.
    «Und noch ein fünftes für unseren Freund von der Mordkommission!», fügt ein anderer hinzu.
    Polivka stutzt. Er starrt in die Augen des hageren Mannes, der seinen Blick durchaus freundlich, ja fröhlich erwidert.
    «Gell, da schauen Sie, Herr Inspektor. Den Dorfklatsch gibt’s halt auch bei uns in Wien; die Stadt ist eine einzige Bassena. Übrigens: Franz Meier mein Name.»
    «Polivka», sagt der noch immer konsternierte Polivka. «Und woher wissen Sie …»
    Franz Meier grinst. «Wir sind vom Bahnhof drüben. Wartung und Verschub. Da weiß man’s bald, wenn irgendwo in einem Zug ein Mord passiert. Und dass dann in den Bahnhofsbeiseln ein paar Herren in Zivil auftauchen, ist kein Wunder, also haben wir vorher schon gewettet, ob das Orlik heut am Abend einen dezenten Zuwachs kriegt.»
    «Umso mehr, als der Tote heut Mittag mit Ihnen am Tisch gesessen ist.» In Polivka regt sich ein Anflug von Unmut. Es ärgert ihn, wenn andere sich für klüger halten, als er selbst es tut.
    Ein spöttisches Schmunzeln umspielt jetzt die Mienen der Männer. Franz Meier zündet sich gemächlich eine Zigarette an. «Das stimmt», nickt er dann. «Und wissen S’ was? Es ist nicht so wahnsinnig schad um den Jeschko. Stimmt’s, Hannes?»
    Sir Hannes, der gerade die Getränke ablädt, zuckt die Achseln. «Der eine frisst die Krot», meint er ruhig, «der andere kriegt die Gurken.»
    «Gurken ist gut», lacht der stämmige Glatzkopf auf, der neben Franz Meier sitzt. «Wirklich gut. Ist Ihnen eigentlich klar», wendet er sich an Polivka, «was der Jeschko aus dem Orlik machen wollte?»
    Polivka schweigt.
    «Eine keimfreie Bedürfnisanstalt, Herr Inspektor. Eine Intensivstation für Gesundheitsfaschisten. Ich weiß das, ich war nämlich letzthin in Mariahilf und hab mir eines von seinen sogenannten Bistros angeschaut. Beton und Fliesen, Glas und Edelstahl, man glaubt, man ist in einem chemischen Versuchslabor. Natürlich absolutes Rauchverbot, kein Alkohol, nur selbst gepresste Safterln, und ein Schnitzel oder Gulasch sucht man dort vergeblich: alles vegetarisch, Hirselaibchen mit Tofu und Sojasprossen, das ist schon das höchste der Gefühle. Also der perfekte Ort, um sich nach einem harten Arbeitstag mit seinen Freunden zu entspannen. Übrigens», kommt der Glatzkopf zum Ende, «Franz Meier mein Name.»
    «Franz Meier. Verstehe», knurrt Polivka. «Sie heißen dann wahrscheinlich auch Franz Meier?», fragt er die zwei Männer, die Franz Meier und Franz Meier gegenübersitzen.
    «Ja, woher wissen Sie das?» Der jüngere der beiden heuchelt Überraschung. «Also wirklich, unserer Polizei ist nicht so leicht was vorzumachen.»
    Der Ältere, ein grau melierter Schnurrbartträger, hebt sein Glas und prostet Polivka zu. «Nicht ärgern, Herr Inspektor, wir meinen’s nicht böse. Aber dass uns um den Mörder Jeschko leid ist, können Sie auch nicht verlangen.»
    «Mörder? Wieso Mörder?» Polivka greift langsam zu den Zigaretten, ohne den Mann aus den Augen zu lassen: alter Polizeitrick.
    «Weil der Jeschko davon gelebt hat, das Lebendige zu Tode zu bringen.»
    «Und was meinen S’ da genau?»
    Der Graumelierte beugt sich vor. «Den Schmutz, Herr Inspektor, den unkontrollierbaren Schmutz. Die Biotope des unhygienischen Denkens, die abgründigen Ecken dieser Stadt, in denen früher Leute wie der Kraus, der Kuh, der Zweig, der Polgar und der Altenberg gesessen sind, um da zu rauchen und zu streiten und zu trinken und zu lachen. Wir sind keine Künstler, Herr Inspektor, aber das heißt
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