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Polivka hat einen Traum (German Edition)

Polivka hat einen Traum (German Edition)

Titel: Polivka hat einen Traum (German Edition)
Autoren: Stefan Slupetzky
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nicht ohne Stolz bemerkt, in Indien beheimatet ist). Die Handgelenke des Toten weisen unregelmäßige Druckspuren auf, die darauf schließen lassen, dass die zu erwartende Gegenwehr Jeschkos nicht vermittels mechanischer, sondern – wahrscheinlich dorsal erfolgter – manueller Blockierung seiner oberen Extremitäten unterbunden wurde. Anders gesagt: Jeschkos Arme wurden nicht gefesselt, sondern meuchlings festgehalten, um das solcherart bewegungsunfähige Opfer problemlos zu Tode bringen zu können. Der Exitus ist Doktor Singh zufolge zwischen vierzehn und vierzehn Uhr dreißig eingetreten.
    «Danke, Herr Doktor», sagt Polivka. «Das hilft mir weiter, sogar in zweifacher Hinsicht.»
    Wenn nämlich
    1. der Zug nach České Velenice, wie der Schaffner Mikulitsch behauptet hat, erst kurz nach halb drei hier losgefahren ist, hat Albert Jeschko seine Reise schon als Leiche angetreten.
    2. Albert Jeschko gleichzeitig von hinten umklammert und von vorne erstickt wurde, dann hat es Polivka
    a) mit einem überaus großen und kräftigen oder
    b) mit mehreren Mördern zu tun.

    Kurze Zeit später hält Polivka ein frostig beschlagenes Viertelglas mit aufgespritztem Brünnerstrassler in der Hand. Die lächerliche Hoffnung auf eine Klimaanlage hat ihn quer durch den Schanigarten in die Gaststube des Orlik geführt, wo sich nun aber die Gewitterluft von draußen mit diversen warmen Küchendämpfen mischt. Bezirksinspektor Polivka bleibt trotzdem sitzen. Steckt sich eine Zigarette an und leert in einem Zug sein Glas.
    «Darf’s noch eines ein?» Der Kellner, eben auf dem Weg in Richtung Garten, legt einen Zwischenstopp ein, um Polivka einen fragenden Blick durch seine Goldrandbrille zu schenken. Der Mann ist eine stattliche Erscheinung, wie Polivka findet: hoch gewachsen und athletisch, aber alles andere als ein Muskelprotz, gepflegt, doch keineswegs geschniegelt, flink und höflich ohne jede Hektik oder Unterwürfigkeit. Der Mann ist kein Kellner, sondern ein Ober. Der Mann ist kein Ober, sondern ein Sir.
    «Ja, bitte», gibt Polivka zurück. «Und eines für Sie.»
    «Sehr freundlich, der Herr, aber ich bin im Dienst.»
    «Dann einen Kaffee?»
    «Ein kleines Bier, wenn’s recht ist.»
    Nach zwei Minuten kehrt der Kellner, der sich dem Inspektor als Herr Hannes vorgestellt hat, mit den Getränken zurück. «Prost», sagt er, und: «Danke.» Im Stehen hebt er sein Seidel an den Mund.
    «Ich tät Sie gern was fragen.» Polivka zückt ein Polaroidfoto der Leiche, das er von der Spurensicherung bekommen hat.
    «Wenn’s nicht zu lange dauert», antwortet Sir Hannes. «Unsere Abendgäste kommen gleich.»
    «Haben Sie diesen Mann schon einmal hier gesehen?»
    «Warum?»
    «Weil draußen vor der Tür sein Wagen steht. Und weil er tot ist.»
    «Wär mir gar nicht aufgefallen», sagt Sir Hannes und betrachtet Jeschkos Konterfei. «Was hat er da im Mund?»
    «Eine Gurke.»
    «Und da heißt es immer, dass Salat gesund sein soll.» Sir Hannes legt das Foto auf den Tisch zurück. «Sie kommen von der Presse?»
    «Krimineser», antwortet Polivka.
    «Dann danke ich doppelt für das Seidel. Feiner Zug; Sie hätten’s ja nicht nötig, mich auf diese Art zu motivieren. Also … Ja, der Herr war in der letzten Zeit ein paar Mal da. Auch heute Mittag. Ein gewisser Jeschko.»
    «Und was wollte er?»
    Sir Hannes schmunzelt. «Schauen S’, jetzt könnt ich einfach sagen: Was man halt so will, wenn man ins Beisel geht. Ein Gulasch und ein Seidel. Aber der Herr Jeschko ist aus einem anderen Grund gekommen. Er hat überlegt, uns zu kaufen.»
    «Wie? Das Orlik?»
    «Ja. Er hat schon mit dem Chef verhandelt und allerhand Pläne gemacht für ein neues Lokal.»
    «Mein Gott, natürlich …», fällt es Polivka wie Schuppen von den Augen, «eines seiner komischen Bistros!»
    « Bistro Le Concombre », nickt Sir Hannes. «Ja, so wollte er es nennen.»
    «Bistro … was?»
    «Le Concombre», wiederholt Sir Hannes.
    «Und wissen Sie auch, was das heißt?»
    «Leider nein, Herr Inspektor. Sonst wär ich ja nicht Kellner, sondern Polizist.»
    «Concombre», knurrt Polivka, «bedeutet nichts anderes als Gurke.»
    «Lustiger Zufall.» Sir Hannes hebt sein Glas zum Mund und trinkt es aus.
    «Im Gegensatz zu Kellnern glauben Polizisten nicht an Zufälle. Also sagen S’ einmal, Herr Hannes, wie sind Sie eigentlich persönlich zu den Plänen vom Jeschko gestanden?»
    «Gar nicht. Die Dinge verändern sich halt, das ist der Lauf der Welt, und wenn ich meine Arbeit
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