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Polarsturm

Polarsturm

Titel: Polarsturm
Autoren: Clive Cussler , Dirk Cussler
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wie sein Schiff, die
Endurance
, von dem Packeis in der Antarktis, während es sich ausbreitete, zermalmt wurde.
    Obwohl sein Herz bereits raste, beschleunigte Fitzjames seine Schritte, als in der Ferne ein weiterer Donnerschlag widerhallte. Das Seil straffte sich in seinen Händen, da die Männer hinter ihm nur noch mühsam mitkamen. Aber er wollte nicht langsamer werden. Als er den seines Wissens letzten Markierungspfosten erreichte, spähte er blinzelnd in den Sturmwind. Durch das wirbelnde Weiß sah er einen Augenblick lang etwas Dunkles vor sich.
    »Sie ist unmittelbar vor uns«, rief er den Männern hinter ihm zu. »Haltet euch ran, wir sind fast da.«
    Wie ein Mann stürmte die Schar nun auf das Ziel zu. Als sie über einen zerklüfteten Eisberg kletterten, sahen sie endlich die
Terror
vor sich. Mit ihren dreißig Metern Länge glich sie von der Größe und vom Aussehen her fast ganz ihrem eigenen Schiff, einschließlich des schwarz gestrichenen Rumpfes mit dem breiten goldenen Streifen. Allerdings hatte die
Terror
kaum noch Ähnlichkeiten mit einem Schiff, da ihre Segel samt der Rahen eingeholt worden waren und eine große Segeltuchplane über das Achterdeck gespannt war. Zur Isolation hatte man entlang der Bordwand bis zur Reling Schneeberge aufgetürmt, und die Masten und die Takelage waren dick mit Eis verkrustet. Das stämmige Bombardenschiff, das ursprünglich mit Mörsern bestückt war, sah jetzt eher wie ein riesiger, umgekippter Milchkarton aus.
    Fitzjames begab sich an Bord, wo er zu seiner Überraschung etliche Besatzungsmitglieder über das vereiste Deck flitzen sah. Ein Fähnrich kam auf sie zu und führte Fitzjames und seine Männer durch die Hauptluke hinab in die Kombüse. Ein Steward verteilte Gläser mit Brandy, während die Männer das Eis von ihrer Kleidung klopften und sich die Hände am Kochherd wärmten. Während er die angenehme Wärme des Brandys in seinem Bauch genoss, fiel dem Kommandanten das hektische Treiben in dem schummrigen Schiff auf, in dem die Seeleute unter lauten Rufen Vorräte durch den Hauptgang schoben. Die Besatzung der
Terror
war ebenso schrecklich anzuschauen wie seine eigenen Leute. Die meisten Männer waren bleich und ausgezehrt und litten in fortgeschrittenem Stadium an Skorbut. Fitzjames hatte durch diese Erkrankung, die durch den Mangel an Vitamin C entsteht und zu Zahnfleischwucherungen und Kopfhautblutungen führt, bereits zwei seiner Zähne verloren. Zwar führte man an Bord Fässer mit Zitronensaft mit, der regelmäßig an die Besatzung ausgegeben wurde, aber dieser Saft hatte im Laufe der Zeit seine Wirkung verloren. Da zudem frisches Fleisch knapp war, war niemand von dieser Krankheit verschont geblieben. Und wenn man gegen Skorbut nichts unternahm, konnte er, wie jeder Seemann wusste, zum Tod führen.
    Der Kapitän der
Terror
tauchte auf, ein zäher Ire namens Francis Crozier. Crozier, ein Veteran der Arktis, hatte den Großteil seines Lebens auf See verbracht. Wie viele Männer vor ihm hatte auch ihn die Suche nach einem nordwestlichen Schifffahrtsweg vom Atlantik zum Pazifik angelockt, einer Passage durch die unerforschten Regionen des Polarmeers. Die Entdeckung dieser Nordwestpassage war die vermutlich letzte große Ruhmestat, die bislang noch keinem Forscher oder Seefahrer gelungen war. Dutzende hatten es versucht und waren daran gescheitert, aber diese Expedition sollte sich davon unterscheiden. Mit zwei arktistüchtigen Schiffen ausgerüstet und mit Sir John Franklin unter dem Kommando einer geheimnisumwitterten Führungspersönlichkeit stehend, war ihr der Erfolg so gut wie sicher. Aber Franklin war im Jahr zuvor gestorben, nachdem er zu spät im Sommer einen Vorstoß zur nordamerikanischen Küste versucht hatte. Die Schiffe saßen ungeschützt auf offener See fest, als sie vom Eis eingeschlossen wurden. Der willensstarke Crozier war fest entschlossen, seine Männer in Sicherheit zu bringen und aus dem Fehlschlag, der ihnen drohte, noch Ruhm zu schlagen.
    »Habt ihr die
Erebus
aufgegeben?«, fragte er Fitzjames.
    Der jüngere Kommandant nickte. »Die verbliebenen Besatzungsmitglieder haben den Verstand verloren.«
    »Ich habe Ihre Mitteilungen erhalten, in denen Sie die Schwierigkeiten beschreiben. Höchst sonderbar. Auch zwei meiner Männer haben zumindest eine Zeit lang den Verstand verloren, aber ein so massenhaftes Auftreten habe ich noch nie erlebt.«
    »Es ist äußerst verblüffend«, erwiderte Fitzjames, dem sichtlich unwohl war. »Ich bin
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