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Polarsturm

Polarsturm

Titel: Polarsturm
Autoren: Clive Cussler , Dirk Cussler
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bloß dankbar, dass ich aus dieser Irrenanstalt raus bin.«
    »Sie sind jetzt tote Männer«, murmelte Crozier. »Und wir womöglich ebenfalls, und zwar schon bald.«
    »Das Packeis. Es bricht.«
    Crozier nickte. Infolge der Verschiebungen in den unteren Schichten rissen immer häufiger Bruchstellen im Packeis auf. Zwar traten die meisten Risse im Herbst und bei Winteranfang auf, wenn das offene Meer zum ersten Mal zufror, aber auch im Frühjahr war das Eis aufgrund des Tauwetters und der damit verbundenen Verwerfungen gefährlich.
    »Die Rumpfplanken ächzen unter dem Druck«, sagte Crozier. »Es nimmt uns in die Mangel, fürchte ich. Also habe ich angeordnet, dass der Großteil unserer Nahrungsvorräte aufs Eis geschafft und die verbliebenen Boote ausgebracht werden sollen. Sieht so aus, als ob wir beide Schiffe früher als vorgesehen aufgeben müssen«, fügte er bangen Mutes hinzu. »Ich bete bloß darum, dass sich der Sturm austobt, bis wir losmarschieren müssen.«
    Nachdem sie ein bescheidenes gemeinsames Mahl, bestehend aus Dosenhammelfleisch und Pastinaken, zu sich genommen hatten, halfen Fitzjames und seine Männer der Besatzung der
Terror
beim Umladen des Proviants aufs Packeis. Die donnernden Verwerfungen ließen offenbar nach, aber gelegentlich übertönte das Knacken und Knistern immer noch den fauchenden Wind. Als die Männer die letzten Kisten aufs Eis gebracht hatten, suchten sie im Innern der
Terror
Schutz, wo sie auf das beunruhigende Ächzen und Knarren der Schiffsplanken horchten, die sich dem Druck des wandernden Eises widersetzten, und darauf warteten, dass die Natur ihre Karten ausspielte.
    Achtundvierzig Stunden lang horchten sie ängstlich auf das Knirschen des tückischen Eises und beteten darum, dass das Schiff verschont bleiben möge. Doch es sollte nicht sein. Der Todesstoß kam rasch, mit einer jähen Bruchstelle und ohne jede Vorwarnung. Das robuste Schiff wurde angehoben und umgekippt, worauf ein Teil des Rumpfes wie ein Kürbis aufplatzte. Nur zwei Männer wurden verletzt, aber der Schaden am Schiff ließ sich nicht mehr beheben. Binnen eines Wimpernschlags war der
Terror
ein nasses Grab beschieden, nur der Zeitpunkt ihres Untergangs stand noch nicht fest.
    Crozier ließ die Besatzung evakuieren und den Proviant in die drei verbliebenen Rettungsboote laden, die mit Kufen versehen waren, damit man sie über das Eis ziehen konnte. In weiser Voraussicht hatten Crozier und Fitzjames im Laufe der letzten neun Monate bereits mehrere Boote voller Proviant zum nächsten Festland schleppen lassen. Der Speicher auf King-William-Land würde der obdachlosen Besatzung über das Schlimmste hinweghelfen. Doch dreißig Meilen zerklüftetes Eis trennten die müden Männer von Land und Vorratslager.
    »Wir könnten die
Erebus
zurückerobern«, schlug Fitzjames vor, während er auf die Masten seines früheren Schiffes blickte, die über den schroffen Eiskämmen aufragten.
    »Die Männer sind zu erschöpft, um miteinander und gegen die Elemente zu kämpfen«, erwiderte Crozier. »Sie wird entweder ebenso untergehen wie die
Terror
, oder noch einen weiteren elenden Sommer im Eis festsitzen. Daran habe ich keinen Zweifel.«
    »Gott sei ihren Seelen gnädig«, murmelte Fitzjames, während er einen letzten Blick auf das ferne Schiff warf.
    Acht Trupps zu je acht Mann wurden vor die schweren Rettungsboote gespannt wie Maultiere vor den Pflug, dann trotteten sie über das unebene Packeis in Richtung Land. Glücklicherweise legte sich der Wind, und die Temperatur stieg bis auf minus siebzehn Grad. Doch unter der Anstrengung brachen die ausgehungerten und frierenden Männer körperlich und geistig allmählich zusammen.
    Nachdem sie die schwer beladenen Boote fünf qualvolle Tage lang teils gezogen, teils geschoben hatten, erreichten sie die mit Kies übersäte Insel. King-William-Land, heute King-William-Insel genannt, hätte kaum ungastlicher sein können. Auf diesem flachen, vom Wind umtosten Stück Land, etwa so groß wie der US-Bundesstaat Connecticut, gab es nur wenige Tiere und Pflanzen. Selbst die einheimischen Inuit mieden diese Insel, hatten sie doch festgestellt, dass sich hier die Jagd auf ihre wichtigste Nahrungsquelle, Karibus und Robben, kaum lohnte.
    Crozier und seine Männer wussten jedoch all das nicht. Nur ihre zur Erkundung ausgesandten Schlittentrupps hätten ihnen mitteilen können, dass es sich um eine Insel handelte und nicht, wie die Geografen im Jahr 1848 noch meinten, um eine Landzunge
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