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Poirot Rechnet ab

Poirot Rechnet ab

Titel: Poirot Rechnet ab
Autoren: Agatha Christie
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verlassen. Elf Uhr dreißig betrat ein Herr, der ihm aufs Haar glich, das Hotel und bat um die Schmuckkassette aus dem Hotelsafe. Er unterzeichnete die Empfangsbestätigung und sagte so nebenher:
    »Entschuldigen Sie das Geschmiere, aber ich habe mir beim Aussteigen aus dem Taxi die Hand verletzt.«
    Der Hotelangestellte hatte nur gelächelt und gesagt, er könne kaum einen Unterschied feststellen. Der angebliche Rolf sagte: »Stellen Sie sich vor, wegen des Steins habe ich Drohbriefe von einem Chinesen bekommen, und das Eigenartige daran ist, dass ich selbst eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Chinesen habe.«
    »Ich sah ihn genauer an«, erzählte uns der bleiche Angestellte, »und merkte sofort, was er meinte. Seine Augen standen etwas schräg und waren mandelförmig wie bei einem Orientalen. Es war mir zuvor nie aufgefallen.«
    »Verflucht noch mal, Mann!«, schrie Gregory Rolf und beugte sich vor. »Schauen Sie mich an. Bemerken Sie es jetzt auch noch?«
    Der Angestellte sah ihn aufmerksam an. »Nein, Sir, jetzt kann ich nichts Derartiges feststellen.«
    Und tatsächlich, an den klaren, braunen Augen, die uns ansahen, war nichts Orientalisches.
    Der Scotland Yard-Mann brummte vor sich hin: »Ein frecher Kerl! Dachte sich, dass man ihn an den Augen erkennen könnte, und zerstreute von vornherein jeden Verdacht, indem er den Stier bei den Hörnern nahm. Er muss Sie beobachtet haben, als Sie aus dem Hotel gingen, und dann hineingeschlichen sein, sobald Sie außer Sicht waren.«
    »Und was ist mit der Schmuckkassette?«, fragte ich.
    »Sie wurde im Flur des Hotels gefunden. Nur ein Stück fehlt – der Western Star!«
    Wir starrten einander an. Die ganze Angelegenheit war bizarr – unwirklich.
    Poirot sprang lebhaft auf. »Ich fürchte, ich kann nicht viel helfen«, sagte er bedauernd. »Dürfte ich mal Madame besuchen?«
    »Ich glaube, der Schock hat ihr sehr zugesetzt«, erklärte Rolf.
    »Kann ich mich dann vielleicht mal ganz kurz mit Ihnen allein unterhalten, Monsieur?«
    »Natürlich!«
    Nach ungefähr fünfzehn Minuten kam Poirot zurück.
    »Und jetzt, mon ami«, sagte er fröhlich zu mir, »gehen wir aufs nächste Postamt. Ich muss ein Telegramm aufgeben.«
    »An wen?«
    »Lord Yardly.« Er schloss weitere Fragen aus, indem er seinen Arm durch meinen schob und mich hinauszog. »Kommen Sie, mon ami, kommen Sie. Ich weiß, was Sie jetzt denken. Ich habe mich nicht sonderlich ausgezeichnet. Sie hätten sich in meiner Situation viel brillanter benommen. Vergessen wir es und gehen, um Mittag zu essen.«
     
    Es war beinahe vier Uhr, als wir wieder in Poirots Büro zurückkamen. Lord Yardly erhob sich aus einem Sessel am Fenster. Er machte einen verwirrten Eindruck.
    »Ich erhielt Ihr Telegramm und bin sofort gekommen. Hören Sie zu, ich bin bei Hoffberg gewesen. Die wissen überhaupt nichts von einem Telegramm an mich und haben auch niemanden zu mir geschickt. Halten Sie es für möglich, dass…«
    Poirot stoppte ihn mit einer Handbewegung.
    »Entschuldigen Sie – ich habe das Telegramm und auch den fraglichen Herrn geschickt.«
    »Sie – aber… warum? Wieso?« Der Lord stammelte hilflos.
    »Meine kleine Idee war, die Sache auf den Höhepunkt zu treiben«, erklärte Poirot geduldig.
    »Die Sache auf den Höhepunkt zu treiben? Oh… Du lieber Gott!«, rief Lord Yardly.
    »Und die List ist gelungen, Mylord. Deswegen habe ich die Ehre, Ihnen dieses zurückzugeben.« Mit einer dramatischen Geste überreichte er ihm einen glitzernden Gegenstand – es war der Diamant.
    »Der Star of the East«, hauchte Lord Yardly. »Aber ich verstehe nicht…«
    »Nein? Das ist nicht weiter schlimm. Glauben Sie mir, erst musste der Diamant einmal gestohlen werden – das war notwendig. Ich habe versprochen, dafür zu sorgen, dass der Stein Ihnen erhalten bleiben soll. Und ich habe mein Wort gehalten. Sie müssen mir erlauben, mein kleines Geheimnis für mich zu behalten. Darf ich Sie bitten, Lady Yardly meiner aufrichtigen Ehrerbietung zu versichern und ihr zu sagen, wie glücklich ich bin, ihr den Diamanten wiedergeben zu können. – Wir haben ein herrliches Wetter heute, nicht wahr? Guten Tag, Mylord.« Lächelnd und plaudernd begleitete der kleine Mann den total verwirrten Lord an die Tür. Er kam zurück und rieb sich fröhlich die Hände.
    »Poirot!«, sagte ich. »Bin ich in einem Irrenhaus?«
    »Nein, mon ami, aber Sie sind – wie immer – blind.«
    »Woher haben Sie den Diamanten?«
    »Von Mr
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