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Plötzlich Royal

Plötzlich Royal

Titel: Plötzlich Royal
Autoren: Roland Brodbeck
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herüber, seine Frau drei Schritte hinter ihm. Ich kannte sein Vorbild, den populistischen Bundesrat und Übervater der Volkspartei, Christoph Blocher, nicht nur aus der Zeitung. Im Schweizer Fernsehen, in der Sendung Arena zum Partnerschaftsgesetz, hatte ich mit ihm gemeinsam im Anlageberateranzug als schwuler Mustersohn und Offizier auftreten dürfen.
    Die Sendung war etwas seltsam verlaufen. Blocher hatte entgegen seiner Überzeugung die schwulenfreundliche Haltung des Gesamtbundesrates vertreten müssen, während ein bibelfester Nationalrat in unappetitlicher Weise über Schwule herzog. Das Prokomitee hatte mich vorbereitet: Auf keinen Fall auf Provokationen mit Gegenbeleidigungen reagieren. Wer schreit, ist gleich unsympathisch.
    „Ihr Linken und Netten habt das Referendum gegen das Partnerschaftsgesetz ja abgewehrt. Damit kommt ja nun die Homo-Ehe, für die Sie sich so engagiert haben, Sascha!“, begrüßte mich unser Nachbar.
    „Danke, ich bin übrigens nur links, nicht nett!“, konterte ich.
    Ein Blitzlicht zuckte. Es war scheinbar der Presse erlaubt worden, während der Begrüßungen zu fotografieren. Mir war klar, dass dieses Bild das Rennen um die Titelseite nicht gewinnen würde. So bekannt war ich nicht, obwohl mich unser SVP-Nachbar immer neckte, ich würde der erste schwule Bundesrat. Ich hoffte jedoch, diese Rolle würde bald dem offen schwulen Nationalrat Claude Janiak von den Sozialdemokraten zuteil werden. Ich hatte ihn in der Sendung Arena persönlich kennengelernt. Für mich war er der beste Politiker der Schweiz, besonders nachdem vor wenigen Wochen das Partnerschaftsgesetz, für das er sich so eingesetzt hatte, vom Volk gutgeheißen worden war.
    Unsere Nachbarn drifteten zu den weiteren Gästen. Etwas underdressed kam ich mir durchaus vor, aber das machte mir im Grunde nichts aus. Wenn man offen schwul im Fernsehen auftritt, braucht man ein dickes Fell. Seit ich im Vorfeld der Volksabstimmung einige Fernsehauftritte und Zeitungsinterviews gegeben hatte, erhielt ich neben Zustimmung auch böse Briefe und E-Mails.
    Meine um einige Minuten ältere Zwillingsschwester erschien mit der Schwester ihres Verlobten Leopold. Die beiden Partygirls trugen modische Klamotten und nach Hofetikette einen absurden Damenhut auf der Designerfrisur. Kaum auf dem Rasen angekommen, taten sie es schon wieder: Sie steckten die Köpfe zusammen und kicherten kurz. Wie megapeinlich! Gut, dass ich die Jeans trug, dachte ich mir: So konnten sie sich wenigstens den Mund darüber zerreißen, wie pubertär ihr Bruder doch war und wie charmant hingegen ihr muskelgestählter, strandblonder Schönling Prinz Leopold von Schwanstein. Der Prinz aus einem alten deutschen Fürstenhaus trug ein weißes Sakko und ein leicht offen stehendes Hemd, so dass man ein paar Brusthärchen und eine Goldkette gerade noch erkennen konnte. Megapeinlich eben. Er sei mein Vetter siebten Grades, wusste er mir zu berichten, als es sich nicht vermeiden ließ, ihn freundlich zu begrüßen und ebenso seine Eltern, den Herzog von Schwanstein samt Herzogin. Den leicht verächtlichen Blick auf meine Hose und besonders auf den Gürtel durch den in der bayerischen CSU engagierten Herzog ignorierte ich einfach.
    Dann traf der britische Prinz endlich ein. Ich kannte Prince Harry bereits, da meine Eltern und ich ein paarmal für einen Nachmittag mit Prince Charles’ Familie in Klosters zum Skilaufen eingeladen worden waren. Das Geplauder verstummte, als der rothaarige Prinz plötzlich auf dem Rasen stand. Sein Prinzentitel hatte immerhin eine gesellschaftspolitische Bedeutung, während die Titel Leopolds und seiner Eltern nicht viel mehr waren als eine nostalgisch verklärte Erinnerung an die Zeiten Ludwigs II. von Bayern. Mein Business-Papi begrüßte nun Prince Harry, der lediglich von einem schwarzen Bodyguard und einem Butler – oder welche Aufgaben auch immer der grauhaarige Brite namens Sir Geoffrey haben mochte – begleitet wurde. Harry trug ein Polohemd und eine, bestimmt teure, sportliche Hose. Als ich bei der Begrüßung des britischen Prinzen an der Reihe war, brachte ich nur ein „Pleased to meet you, Your Royal Highness. It is an honour!“ heraus, mehr war für mich nicht drin. Erst als der Satz bereits draußen war, erinnerte ich mich daran, dass die Erwähnung, es sei eine Ehre, bei einer Begegnung mit einem Royal eigentlich unangebracht ist, da die Ehre hier selbstverständlich ist. So stand es in einem Internetartikel von eben diesem Sir
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