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Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Titel: Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)
Autoren: Nicola Förg
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flüsterte: »Ruhig, ganz ruhig. Nachdenken. Atme. Atme ganz langsam.«
    Die Selbstsuggestion half ein wenig. Sie fingerte ihr Handy heraus, doch es hatte natürlich kein Netz. Das Display erhellte nur kurz den Raum. Immerhin war es ein Outdoorhandy mit eingebauter Taschenlampe. Vorsichtig begann sie den Raum auszuleuchten und blickte in Augen. In starre Augen. In tote Augen. Ein Schrei entfuhr ihr. Reiß dich zusammen!, ermahnte sie sich. Du bist Polizistin, nicht Drogerieverkäuferin.
    Sie leuchtete erneut. Auf einem Tisch befand sich der Schädel eines Rentiers und starrte sie an. Unter dem Tisch lagen noch zwei Köpfe. Der einer Gams und der eines Rehbocks. Beide gut erhalten, denn es war kalt hier unten.
    Irmi zwang sich, weiter in den Raum hineinzuleuchten, die Lampe irrlichterte die Wände entlang. Es gab noch einen Tisch, auf dem martialische Messer lagen. Und eine Petroleumlampe. Mit zittrigen Fingern zündete sie die Lampe an. Augenblicklich war alles besser. Mit der Helligkeit kam ihr Denken wieder. Sie sah sich den Raum genauer an. Betonwände, eine Stahltür. Das musste ein Bunker sein, vermutlich befand sie sich einige Meter unter der Erde. Hören würde sie niemand, wenn sie sinnlos um ihr Leben brüllte. Ihr Versuch, durch den Raum zu gehen und das Handy hochzuhalten, war lächerlich. »Und was machen wir jetzt hier? Verrotten?«, sagte sie zum Rentierschädel. Es ging schon los. Sie wurde irrsinnig.
    Wie lange würde sie hier unten überleben? Wie lange kam man ohne Wasser aus? Würde Bartholomä wiederkommen? Schaufelte er gerade ein Loch, ein kühles Grab? Jemand würde sie doch suchen? Aber wer und wo? Sie hatte Kathi eine Nachricht hinterlassen, die im Prinzip nichts aussagte. Ihre dumme Geheimniskrämerei nur um einer triumphierenden Pointe willen würde sie nun das Leben kosten. Warum sollte Kathi sie ausgerechnet auf dem Waldgut suchen? Aber er würde bestimmt zurückrufen. Genau, und nur ihre Mailbox erreichen. Sie telefonierten oft zwei, drei Wochen nicht, bis dahin würde das Frühjahr da sein und sie im Stadium der Verwesung. Eine neue Panikattacke kroch von den Knien in den Magen. Sie schrie nun doch. Schrie und schrie, bis sie schwer atmend zu weinen begann. Das Rentier sah sie verständnislos an.
    Kathi hatte den ganzen Sonntag ihr Handy in der Küche liegen lassen. Als sie es am Montagmorgen anmachte, war da Irmis Nachricht. Sie rief zurück. Mailbox. Sie würde Irmi ohnehin gleich im Büro treffen, so what? Es war ein schöner Morgen, ein Niesmorgen, wie lange hatten diese Baumpollen denn noch vor, sie zu malträtieren?
    Als sie kurz nach acht im Büro ankam, war Irmi nicht da. Als um zehn der Staatsanwalt auf der Matte stand und nach Fortschritten im Fall Thomas Wallner fragte, war er mehr als ungehalten, Irmi nicht vorzufinden. Kathi versuchte es erneut auf Irmis Handy. Wieder nur die Mobilbox. Sie faselte etwas von einem externen Termin und dass Frau Mangold sicher bald käme.
    »Du hast Nerven, Mangold! Ausgerechnet heute zu verschlafen, oder!«, fluchte sie. Dann brüllte sie nach Andrea. »Weißt du, wo Irmi steckt?«
    »Nein, keine Ahnung.«
    »Hat sie dir nix gesagt? So quasi von Bauern … äh, so von Chefin zu aufstrebendem Nachwuchs?«
    »Nein, aber warum bist du zu mir immer so ätzend?«, brach es plötzlich aus Andrea heraus.
    Bevor Kathi etwas Fieses antworten konnte, stand Sailer im Raum. »Weil die Kathi koa Morgenmensch is! Weil s’ gern zwider is. So, Madels, und oans sag i eich: Wenn die Frau Irmengard ned do ist, dann stimmt do was ned.« Er schaute so düster, wie einer schauen musste, der gerade eine dunkle Prophezeiung ausgesprochen hatte.
    »Was soll da nicht stimmen?«, fragte Kathi. »Sie wird verschlafen haben.«
    »Aber nia ned bis nach zehn. Des machen Bauerntrampel ned.« Er zwinkerte Andrea zu.
    Als die beiden draußen waren, suchte Kathi nach Irmis Festnetznummer. Bernhard war tatsächlich erreichbar. Was er allerdings sagte, war merkwürdig. Er hatte Irmi am Samstag gegen zehn Uhr wegfahren sehen. Da hatte er gerade oben im Heu gelegen und durch eine Luke nach draußen gesehen. Er machte da gerne mal ein Nickerchen und hatte eine gewisse Freude daran, dass Irmi ihn dort nicht vermutete. Seitdem hatte er sie nicht mehr kommen hören, und ihr Auto war auch jetzt nicht da. Weil Kathi so komisch klang, ging er in Irmis Zimmer. Ihr Bett war unberührt, und nun verstand er auch den Unmut der maunzenden Kater. Die hatte seit Samstagfrüh keiner mehr
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