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Planet der Affen

Planet der Affen

Titel: Planet der Affen
Autoren: Pierre Boulle
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kleine Schimpansen beim Spielen und Balgen ähnliche Schreie ausstoßen hören.
    Während wir uns völlig verwirrt zum Weiterschwimmen zwangen, ohne uns um sie zu kümmern, schien sie einen Entschluss zu fassen. Sie kauerte sich nieder, stützte sich auf die Hände und begann geschickt die Felswand herabzuklettern. Ihr goldgetönter Körper hinter dem rieselnden Schleier aus Wasser und Licht mutete uns wie ein Bild aus einem Traum an. Es dauerte nicht lange, dann kniete sie unten am See auf einem flachen Stein. Wieder beobachtete sie uns eine Weile, dann stieg sie ins Wasser und schwamm auf uns zu.
    Wir merkten, dass sie spielen wollte, und setzten, als wäre nichts geschehen, eifrig unser Geplansche fort. Nun hatten wir offenbar ihr Vertrauen gewonnen und hüteten uns vor Äußerungen, mit denen wir sie wieder verscheucht hätten. Im Handumdrehen hatte sich ein Spiel entwickelt, dessen Regeln sie uns unbewusst aufzwang. Es war ein seltsames Spiel, bei dem wir im Wasser Fangen spielten wie Robben in einem Bassin. Im Grunde genommen war es kindisch. Aber was hätten wir nicht alles getan, um die schöne Unbekannte zu zähmen! Ich bemerkte, dass sich sogar Professor Antelle an dieser Albernheit mit unverhohlenem Vergnügen beteiligte.
    Nachdem es eine ganze Weile so weitergegangen war, und als wir allmählich außer Atem waren, fiel mir auf einmal etwas Merkwürdiges auf: ihr ständiger Ernst. Inmitten all der Ausgelassenheit, die sich vor allem aufgrund ihres Verhaltens ausgebreitet hatte, war kein einziges Lächeln über ihr Gesicht gehuscht. Bestürzt musste ich mir eingestehen, dass sie offenbar unfähig war, zu lachen oder zu lächeln. Sie ließ nur von Zeit zu Zeit einen ihrer Schreie vernehmen, mit denen sie ihr Wohlbehagen ausdrückte.
    Ich wollte es auf einen Versuch ankommen lassen. Als sie das nächste Mal in ihrer drolligen Art auf mich zupaddelte, das Haar wie einen Kometenschweif hinter sich herziehend, blickte ich ihr in die Augen und setzte ein Lächeln auf, in das ich alle mir zur Verfügung stehende Freundlichkeit und Zärtlichkeit hineinlegte.
    Das Ergebnis verblüffte mich. Sie stellte das Schwimmen ein, richtete sich im Wasser auf, das ihr bis zur Taille reichte, und streckte abwehrbereit die Hände aus. Dann drehte sie sich um und hetzte ans Ufer. Sie stieg aus dem Wasser, wandte sich zögernd halb um und beobachtete mich aus den Augenwinkeln wie ein Gefahr witterndes Tier. Vielleicht hatte sie wieder Zutrauen gefasst; denn das Lächeln war mir vergangen und ich schwamm mit Unschuldsmiene weiter. Da geschah etwas, was sie erneut in Unruhe versetzte. Aus dem Wald erschollen Geräusche, und von Ast zu Ast hangelnd kam unser Freund Hector zum Vorschein, ließ sich zu Boden gleiten und sprang voll Wiedersehensfreude auf uns zu. Verstört sah ich, wie beim Anblick des Affen eine Mischung aus Abscheu und Brutalität das Gesicht des Mädchens verzerrte. Sie wirbelte herum und presste sich an einen Felsen, alle Muskeln angespannt, die Hände zu Klauen gekrümmt. Und all dies nur wegen eines liebenswerten kleinen Schimpansen, der mit uns Wiedersehen feiern wollte.
    Als er nahe bei ihr vorbeikam, ohne sie zu bemerken, stürzte sie sich auf ihn. Ihr Körper spannte sich wie ein Bogen. Sie packte den Affen an der Gurgel und würgte ihn, während sie ihn mit den Beinen umklammert hielt. Das ging so schnell, dass wir nicht eingreifen konnten. Der Affe bäumte sich noch einige Male auf, doch als sie ihn losließ, war er tot.
    Und das hatte dieses strahlende Geschöpf getan, dem ich in einer romantischen Anwandlung den Namen ›Nova‹ verliehen hatte, da sie mir wie ein neu am Firmament aufgetauchter funkelnder Stern erschienen war.
    Als wir aus unserer Erstarrung erwachten und ans Ufer eilten, war es für Hector längst zu spät. Das Mädchen wandte uns herausfordernd den Kopf zu, streckte abermals die Arme abwehrend aus und fletschte die Zähne. Wir blieben wie angewurzelt stehen. Dann stieß sie einen letzten schrillen Schrei aus, der wie Triumph- oder Wutgeheul klang, und rannte in den Wald. Sie verschwand im Unterholz, das sich sofort hinter ihrem goldgetönten Körper schloss. Wir blieben fassungslos inmitten des nun wieder schweigenden Dschungels zurück.

6
    »Eine Wilde«, sagte ich, »die irgendeinem primitiven Stamm angehört, wie man sie in Neuguinea oder in den afrikanischen Urwäldern findet?«
    Ich hatte ohne jegliche Überzeugung gesprochen. Levain fragte mich beinahe wütend, ob ich unter den
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