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Planet der Affen

Planet der Affen

Titel: Planet der Affen
Autoren: Pierre Boulle
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allerdings. Auf einmal blieb der junge Levain, der vorausging, stehen und bedeutete uns, zu lauschen. In einiger Entfernung hörte man ein Rauschen wie von fließendem Wasser. Wir stießen weiter in diese Richtung vor, und das Geräusch wurde deutlicher.
    Es war ein Wasserfall. Benommen von der Schönheit der Szenerie, die sich uns bot, hielten wir inne. Klar wie einer unserer heimischen Gebirgsbäche schlängelte sich der Wasserlauf über uns, verbreiterte sich und ergoss sich aus einer Höhe von mehreren Metern über eine Gesteinstreppe in eine Art See zu unseren Füßen. Ein von der Natur geschaffenes, von Sand und Felsgestein eingefasstes Schwimmbecken, auf dessen Oberfläche sich das Licht Beteigeuzes spiegelte, der nun im Zenit stand.
    Der Anblick des Wassers war so verlockend, dass Levain und mir der gleiche Gedanke kam. Tatsächlich war es sehr heiß geworden, uns so warfen wir unsere Kleider ab, um uns kopfüber in den See zu stürzen. Aber Professor Antelle ermahnte uns, auf diesem unbekannten Planeten etwas mehr Vorsicht walten zu lassen. Vielleicht war das gar kein Wasser, vielleicht war diese Flüssigkeit schädlich. Er trat ans Ufer, kauerte sich nieder und nahm es in Augenschein. Dann berührte er es vorsichtig mit dem Finger. Schließlich schöpfte er etwas davon seine hohle Hand und benetzte die Zungenspitze.
    »Das kann nur Wasser sein«, murmelte er.
    Er bückte sich abermals, um die Hand ins Wasser zu tauchen. Da erstarrte er plötzlich und deutete auf einen Fußabdruck im Sand neben ihm. Ich glaube, ich war noch nie im Leben so aufgeregt. Hier, unter den glühenden Strahlen des Beteigeuze, der wie ein riesiger roter Ball den Himmel über uns ausfüllte, erblickten wir auf einem schmalen Streifen feuchten Sandes den perfekten Abdruck eines menschlichen Fußes.

5
    »Das hat eine Frau hinterlassen«, sagte Levain.
    Diese Feststellung, mit gepresster Stimme vorgebracht, überraschte mich nicht. Ich hatte nämlich genau dasselbe gedacht. Die Feinheit, die Eleganz, die einmalige Schönheit des Abdrucks hatten mich tief aufgewühlt. Es stand außer Zweifel, dass die Spur von einem Menschen stammte. Vielleicht war es ein Jugendlicher, vielleicht ein Kleinwüchsiger, doch höchstwahrscheinlich – und ich hoffte es von ganzem Herzen – eine Frau.
    »Soror ist also von Menschen bewohnt«, murmelte Professor Antelle.
    Ein Unterton von Bedauern schwang in seiner Stimme mit. In diesem Moment fand ich den Professor ein bisschen weniger sympathisch. Er zuckte auf seine charakteristische Weise mit den Achseln und begab sich mit uns auf die Suche nach weiteren Fußspuren im Ufersand. Wir entdeckten tatsächlich noch etliche, die eindeutig dasselbe Geschöpf hinterlassen hatte. Levain, der sich vom Wasser entfernt hatte, machte uns auf einen noch feuchten Abdruck im trockenen Sand aufmerksam.
    »Vor weniger als fünf Minuten war sie noch da«, rief der junge Mann. »Offenbar hat sie gerade gebadet, hat uns kommen gehört und ist geflohen.«
    Das genügte uns als Beweis, dass es sich um eine Frau handelte. Wir verhielten uns still und spähten zum Wald hinüber, hörten jedoch nicht einmal einen Zweig knacken.
    »Wir haben ja reichlich Zeit«, sagte Professor Antelle und zuckte abermals mit den Achseln. »Und wenn hier ein menschliches Wesen gebadet hat, dann können wir sicherlich gefahrlos dasselbe tun.«
    Auch der würdige Gelehrte entledigte sich ohne weitere Umstände seiner Kleidung und sprang, mager wie er war, ins Wasser. Nach der langen Reise ließ uns das Vergnügen dieses Bades in dem frischen, köstlichen Nass beinahe unsere eben gemachte Entdeckung vergessen. Lediglich Arthur Levain blickte nachdenklich und geistesabwesend drein. Ich wollte schon eine scherzhafte Bemerkung über seine melancholische Miene machen, als ich die Frau sah – direkt über uns auf dem Felsvorsprung, von wo der Wasserfall herunterstürzte.
    Nie werde ich die Empfindung vergessen, die ihre Erscheinung in mir hervorrief. Mir stockte der Atem angesichts der zauberhaften Schönheit dieses Geschöpfes, das sich schaumumsprüht unseren Blicken darbot, vom blutroten Schein des Beteigeuze überzogen. Es war eine Frau – oder vielleicht mehr ein junges Mädchen, wenn nicht gar eine Göttin. Sie wirkte wie der Inbegriff des Weiblichen, in ihrer unbefangenen Nacktheit, mit nichts anderem geschmückt als ihrem Haar, das lang über ihre Schultern herabwallte. Natürlich hatte uns zwei Jahre lang jegliche Vergleichsmöglichkeit gefehlt,
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