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Plan D

Plan D

Titel: Plan D
Autoren: Simon Urban
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etwas Existenzielles.«
    »Es gibt noch konsequente Frauen.«
    »Was denkst du?« Borgs faltete die Hände vor der Bauchkugel.
    »In Bezug auf Gas-Devisen oder auf unseren Mann hier?«
    »Wie wär’s mit einer Verbindung zwischen beidem?«
    Wegener zog sich einen der blau gepolsterten Stühle zum Schreibtisch und setzte sich. »Sieht alles danach aus, als ob wir ein Problem haben.«
    »Wir hoffentlich nicht.« Borgs ließ seinen Blick über die Fotos wandern. »Aber am Werderschen Markt kriegen sie Zuckungen, wenn sie von der Geschichte hören, das kannst du mir glauben.«
    »Das K5 schon informiert?«
    »Ganz ruhig. Hab das ja erst zwei Stunden auf dem Tisch, nicht wahr? Außerdem wollte ich vorher mit dir sprechen.«
    »Offen?«
    »Unter vier Augen. Wie du siehst.« Borgs zündete sich einen neuen Zigarillo an, paffte und wuchtete seine kurzen, dicken Beine auf die linke Schreibtischkante. In beiden Sohlen ein kreisrundes Loch.
    Wegener zog den Mantel aus und hängte ihn über die Stuhllehne.
    »Schauen wir mal, was wir haben«, sagte Borgs, schmatzte und blies einen Mund voll Rauch zur Zimmerdecke. »Eine männliche Leiche um die achtzig. Todesursache Genickbruch, erhängt an der Nordmagistrale Nähe Sektorengrenze. Suizid ausgeschlossen. Der Tatort so sauber wie die Rosette einer Meerjungfrau.«
    »Sauberer geht’s nicht«, sagte Wegener.
    »Sauberer ist völlig unmöglich«, bestätigte Borgs. »Und in diese allumfassende Sauberkeit legt jemand Spuren, die eindeutig sagen, hier haben Stasialtkader einen vermeintlichen Verräter um die Ecke gebracht. Zusammengebundene Schnürsenkel, achtfacher Galgenknoten. So hat die Sicherheit ihre eigenen Leute erledigt. Zuletzt passiert vor rund zwei Jahrzehnten, im Zuge der Wiederbelebung unserer geliebten DDR. Angeblich. Weiß ja keiner. Erzählt ja immer nur jeder, wenn’s gerade passt, hinter vorgehaltener Hand. So. Und in einem Monat kommt Lafontaine, um unseren bankrotten Saftladen zu retten. Vorausgesetzt, der Saftladen ist schön brav. Nur, momentan sieht es aus, als ob der Saftladen ziemlich unartig war. Was soll das bitteschön für ein Kasperletheater sein, Martin? Wer will uns da verarschen?«
    Wegener fächelte sich Zigarillorauch aus dem Gesicht. »Diese Verräter-Morde, sind das Gerüchte oder hat es die wirklich gegeben?«
    »Frag mich nicht.« Borgs zuckte mit seinen breiten Schultern. »Ich hab nie jemanden getroffen, der das weiß. Kann uns aber auch egal sein. Die Zeichen sprechen ja so oder so ihre Sprache.«
    »Zusammenbinden der Schnürsenkel: Vor uns kannst du nicht weglaufen. Das versteh ich noch. Und der Galgenknoten?«
    »Acht mal gewickelt.« Borgs hielt acht kleine, dicke Finger in die verräucherte Luft. »8 . Februar 1950. Gründung des MfS. Eine Erinnerung an die alten Ideale, wenn du so willst. An die Tradition der Bruderschaft.«
    »Kranke Spinner waren das.«
    »Gefährliche kranke Spinner.«
    Wegener hustete. »Zwei Möglichkeiten. Unser Mann war bei der Sicherheit, hat Mist gebaut, sie wollen ihn loswerden. Und gleichzeitig ein Zeichen setzen. Als Signal nach innen, sozusagen. Also beleben sie die alte Methode wieder, damit jeder bei der Truppe weiß: Das passiert, wenn du uns hintergehst.«
    »Totaler Schwachsinn.« Borgs schüttelte den Kopf. »Der Mann ist um die achtzig! Und selbst wenn der Geheimdienst immer noch Leute beseitigt, was er sich im Rahmen der internationalen Verträge gar nicht leisten kann, dann doch bitte nicht auf diese Weise. Und auch noch vier Wochen vor den Konsultationen. Ein einziger nachweislicher Bruch der Rechtsstaatlichkeitskriterien, und hier gehen die Lichter aus. Zweite Möglichkeit?«
    »Jemand versucht, der Sicherheit was in die Schuhe zu schieben, indem er ihre alten Methoden aufwärmt.«
    Borgs schmatzte, paffte, schmatzte. »Wenn ich der Stasi was anhängen will, dann muss das öffentlich werden, dann braucht es einen Skandal. Wie soll das gehen? Wer soll das machen? Heute Abend übernimmt das K5. Sonderermittlungsstatus. Da dringt nichts nach außen. Und es ist schwer vorstellbar, dass Schily morgen mit der Geschichte zur Aktuellen Kamera rennt.«
    »Das wäre in der Tat eine Überraschung.« Wegener stand auf, zog den schweren Vorhang ein Stück zur Seite und öffnete die alten Doppelfenster. Kalte Luft wehte ins Zimmer und tauschte Rauchgestank gegen Fettgestank. Auf der Lechner-Allee kämpfte ein weißer Phobo s II Universal mit einer Parklücke, der kahle Kopf des Fahrers ragte aus dem
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