Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis
Autoren: Daniel G. Keohane
Vom Netzwerk:
gefühlt. Letzteres konnte Bill fast nachvollziehen, aber wie sie ihre Ehe in den Griff bekommen wollte, indem sie auf die gegenüberliegende Seite des Planeten reiste, gab ihm Rätsel auf.
    Damals betrachtete Bill ihren Aufbruch als das Ende, als ein Versagen. Sie hatte aufgegeben und lief für immer weg. Er hatte sie angeschrien. Sie hatte geweint.
    Dann war sie gegangen.
    In jener Nacht verließ Bill das Haus zum letzten Mal, da er in keinem Zimmer länger als ein paar Minuten still stehen oder sitzen konnte. Er kehrte ins Hotel zurück und fand letztlich eine Einzimmerwohnung über Mrs. Cadens Garage in Hillcrest. Das Haus vermietete er anschließend. Der Erlös daraus deckte kaum die ursprüngliche Hypothek, aber die Miete für seine Wohnung war günstig. Vor zwei Jahren, als seine Mieter in ein Eigenheim umzogen, hatte Bill das Haus zu einem anständigen Preis verkauft. Er hätte mehr dafür herausschlagen können, aber er mochte die neuen Besitzer und blieb in Kontakt mit ihnen. Doch wie Joyce besuchte Bill das Haus nie mehr. In den Räumen weilten zu viele Schmerzen, zu viele glasscherbenartige Erinnerungen.
    »Kinyum klein« , murmelte Mary und lehnte sich gegen Seyha. Das Mädchen hielt seine neue Puppe fest an die Brust gedrückt.
    Seyha beugte sich vor, bemerkte Bill an der Tür und bedachte ihn mit einem Lächeln. Dem Mädchen flüsterte sie zu: »Mog Nais, nyum mahop bega bruk.« Bei der Erwähnung von Frühstück sprang Mary von Seyhas Schoß, als hätte sie sich verbrannt. Dann schaute sie besorgt drein. Als das Mädchen Bill hereinspähen sah, rief es aus: »Min mahop nasal te?«
    Bill nickte und erwiderte auf Englisch. »Ja, Ma’am. Mehr als genug. Wir haben eine Schale extra für dich aufgehoben.« Als Mary zögerte, fügte Bill auf Khmer hinzu: »Bat.« Er wich einen Schritt zurück, als Mary durch die geöffnete Tür zum Tisch rannte, die Puppe im Schlepptau. Als die anderen Kinder sie erblickten, hoben sie sogleich wieder die Schalen an.
    Seyha trat hinaus und ließ die Insektenschutztür hinter sich zufallen. Sie beobachtete, wie das Mädchen auf die Bank kletterte. Dabei stand sie so dicht bei Bill, dass sich ihre Arme berührten.
    Diese Augenblicke, in denen sie sich voll unausgesprochener Akzeptanz berührten, bestätigten Bill, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte – eine Entscheidung, die sechs Monate nach dem Aufbruch seiner Frau in der Dunkelheit der Kirche von Saint Cecilia gefällt worden war. Um ein Uhr morgens. Obwohl er seine Mitarbeit bei der Jungschar und anderen Gruppen der Gemeinde größtenteils beendet hatte, besaß er immer noch einen Schlüssel. Er hatte in der Finsternis vor dem Altar gekniet und um Geleit gebetet. Irgendwann war er eingeschlafen und hatte geträumt, sich mit Seyha, aber auch mit Reverend Lindu und seiner einstigen Nachbarin Gem Davidson im Haus zu befinden.
    Die junge Frau war mittlerweile sehr aktiv in der Kirche geworden, als wolle sie die Lücke füllen, die Bill hinterlassen hatte. Ein Großteil der Einzelheiten des Traums ging verloren, als er erwachte. Eine Szene jedoch blieb erhalten. Darin stand er an der Insektenschutztür. Die Nachtluft war heiß und erfüllt von Mücken, die ihn im Gesicht und am Hals piesackten. In dem Traum klopfte er an die Tür, und Seyha erschien, das Gesicht vom Mond seiner Züge beraubt. Sie lächelte zwar nicht, doch Bill verstand, wie man nur in einem Traum verstehen kann, dass sie überglücklich war, ihn zu sehen.
    Sie trat in die Düsternis zurück und streckte die Hand aus, um die Tür für ihn aufzuhalten, dann wartete sie darauf, dass er ihr folgte.
    Erst später, als er zu Fuß durch die schlafende Nachbarschaft gegangen war, verstand Bill seine Entscheidung. An jenem Morgen und jedem Morgen seither akzeptierte er, dass dies ihr künftiges Leben sein würde. Vier Monate im Jahr kam er an diesen Ort, zu seiner Frau in ihre neue, alte Welt. Vielleicht würde er sich dieses Jahr endgültig zur Ruhe setzen und das Geschäft verkaufen. Dann würde er für immer hier bleiben. Er betete nach wie vor dafür, dass die Narbe in seiner Frau heilen möge, dass sie eines Tages in der Lage sein würde, sich der Welt außerhalb der kleinen Mission zu stellen. Ob diese Gebete vernommen oder erhört würden, konnte nur die Zeit zeigen.
    Das ferne Gezänk der Kinder um die Reste des Frühstücks durchdrang die Stille zwischen ihnen. Seyha hakte sich bei Bill ein. Die beiden waren zufrieden mit der Gesellschaft des
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher