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Pinguine lieben nur einmal

Pinguine lieben nur einmal

Titel: Pinguine lieben nur einmal
Autoren: Kyra Groh
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stößt er eine weite Tür zu einem separierten Fünfzig-Meter-Schwimmbecken auf und nickt in den Raum.
    »Sehnse, da isser, der junge Herr Winter. Ich kenn ja seine Großmutter recht gut, Käthe Schneider, geborene Klein, wissese. Das ist die Mutter von seiner Mutter.«
    Warum– WARUM NUR – verlieren ältere Menschen irgendwann das Gespür dafür, wann ihr Gerede auf taube Ohren stößt? Ein ungelöstes Rätsel.
    Leise schließt er die Tür hinter sich und ist weg. Plötzlich bin ich furchtbar allein.
    Ich werfe einen Blick aufs Becken und sehe Janosch am anderen Ende der Bahn auftauchen, über fünfzig Meter weit weg. Er schüttelt sich die Haare aus dem Gesicht und atmet tief durch.
    Oh Gott.
    Janosch. Da ist er. Lächerliche fünfzig Meter weit weg. Aber ich stehe hier wie festgewachsen und kann nicht auf ihn zugehen. Was soll ich denn sagen? Dass ich jetzt weiß, wie der Mädchenname seiner Oma lautet? Oder dass der Opi elfmal Kreismeister war? Oder dass ich ihm im Moment einfach nur gerne nahe wäre und deshalb gleich zerplatze?
    Er hat mich nicht bemerkt. Dabei ist das Organ vom Opi alles andere als leise, und meine Schritte hallen von den gefliesten Wänden wider. Bestimmt war er unter Wasser und hat uns deshalb nicht eintreten hören. Ich stehe ganz still da und beobachte ihn, wie er nun in weiten, kräftigen Zügen durch das Becken krault.
    Reglos stehe ich vor der Hallentür, und er schwimmt immer näher auf mich zu. Nur wenige Zentimeter vor Ende des Beckens streckt er den Arm aus und ertastet die Wand, um nicht mit dem Kopf dagegenzustoßen, dann wendet er und entfernt sich wieder von mir. Vier Mal insgesamt.
    Janosch peitscht förmlich auf das Wasser ein. Ich habe keine Ahnung vom Schwimmen, aber er wirkt aggressiv. Sein nasser Kopf taucht alle paar Meter aus dem Wasser auf und schnappt nach Luft. Ich habe noch nie jemanden so schnell und so gleichmäßig schwimmen gesehen. Ich bin fasziniert.
    Mit der Zeit fange ich fürchterlich zu schwitzen an. Es sind mindestens fünfundzwanzig Grad hier drin. So leise wie möglich versuche ich meine Winterjacke auszuziehen. Schließlich will ich nicht triefend nass vor Schweiß sein, falls ich mich in diesem Jahrhundert noch mal trauen sollte, Janosch anzusprechen. Ich schäle mich langsam aus der Jacke und lege sie behutsam, um keinen Laut zu machen, über den angewinkelten Arm. Mit einem ohrenbetäubenden widerhallenden Klirren fällt der Autoschlüssel aus der Jackentasche auf den Fliesenboden. Der Aufprall ist in der großen, fast leeren Halle so laut wie ein Gewehrschuss. Janosch hält sofort inne, sein Kopf schnellt aus dem Wasser.
    »Herr Fritz?«, ruft er laut. Seine Stimme hallt durch den Raum. »Herr Fritz, sind Sie das?«
    Ich beobachte ihn. Sein Gesichtsausdruck ist kritisch. Er sieht ein bisschen aus wie ein aufmerksames Reh. Dann schwimmt er zum Beckenrand, hangelt sich zur nächsten Treppe und steigt aus dem Wasser.
    »Hallo?«, ruft er noch mal.
    Muss er bei unserem Wiedersehen unbedingt so spärlich bekleidet sein? Ich bin ein bisschen froh, dass er Badeshorts trägt und nicht eins von diesen komischen Höschen, die Schwimmer bei Wettkämpfen immer tragen.
    Ich beobachte seinen muskulösen Oberkörper, der vom Wasser glänzt, und seine Haare, die er sich aus dem Gesicht schüttelt. Er sieht aus, als hätte er sich seit drei oder vier Tagen nicht rasiert. Gott, steht ihm das gut! Wie soll mir denn jetzt noch etwas möglichst Geistreiches einfallen? Was soll ich bloß sagen, das ihn dazu bringt, mich wiederhaben zu wollen?
    »Herr Fritz?«, fragt er.
    »Nein. Ich bin’s«, murmele ich.
    Janosch bleibt stehen. »Feli?«, fragt er.
    »Mhm«, bestätige ich.
    »Was machst du denn hier?«
    »Ich musste dich sehen.«
    »Okay.«
    »Okay? Was ist das denn bitte für eine Reaktion?«
    »Was soll ich denn sonst sagen?« Er legt die linke Hand in den Nacken.
    »Ach, keine Ahnung. Irgendwas.«
    Janosch grinst. »Du hast mich ganz schön erschreckt.«
    »Entschuldige. Mir ist der Autoschlüssel runtergefallen.«
    »Bist du extra hergefahren?«
    »Ja. Ich wusste von deiner Mutter, dass du hier bist.«
    »Sie kann es einfach nicht lassen«, sagt er schmunzelnd.
    »Nein, sie… Ich habe euer Telefonat mitgehört. Sie hatte mich zum Kaffee eingeladen.«
    Er fährt mit den Füßen über den Boden, bis er zum Beckenrand gelangt, und setzt sich dann dort hin. Ich gehe zu ihm und lege meine Jacke auf den Boden. Schnell schlüpfe ich aus Schuhen und Socken, ziehe die
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