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Pinguine lieben nur einmal

Pinguine lieben nur einmal

Titel: Pinguine lieben nur einmal
Autoren: Kyra Groh
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und gibt meinen Händen den Befehl, mitten auf der Autobahn zu wenden. Das wär’s noch. Kurz vorm Ziel gescheitert.
    Okay. Ausfahrt nehmen. Gut. Rein in den Stadtverkehr. Kein Schwein ist unterwegs. Klar. Alle sitzen zu Hause und warten auf Silvestergäste. Ich weiß noch, dass wir auf dem Weg zu Janoschs Elternhaus an einem Schwimmbad vorbeigefahren sind und ich ihn gefragt habe, ob er dort immer trainiere.
    Oh Gott. Hier sieht alles identisch aus, eine Ecke gleicht der nächsten! Vielleicht gibt es irgendwo ein Schild. Nö. Kein Schild. Vielleicht kann ich einen Passanten fragen. Im Nach-dem-Weg-Fragen bin ich sehr gut. Notgedrungen. Aber es gibt auch keinen Passanten.
    Als ich zum vierten Mal über die Hauptverkehrsstraße brettere, fällt mir plötzlich die große weiße Tafel auf, die nach links zeigt und auf das Feuerwehrhaus, den Blumenfachmarkt Müller-Hansen und das Hallenbad hinweist. Danke. Wenn ich schon mit dem schlechtesten Orientierungssinn der Welt ausgestattet sein muss, wäre ein Paar guter Augen doch wirklich nicht zu viel verlangt gewesen.
    Hektisch kurbele ich am Lenkrad, um rechtzeitig die Abbiegung zu erwischen, und stehe kurz darauf direkt vor dem Hallenbad.
    An der Eingangstür hängt ein Plakat, auf dem steht, dass heute ab neun die große Silvester-Party mit DJ Andy stattfindet. Aha. Das erklärt zumindest, warum sie geöffnet haben.
    Ich stoße die Tür auf und gehe hinein. Komischerweise ist die Kasse nicht besetzt, sondern verriegelt und der Eingang versperrt.
    »Für die Fete sinn Se noch ’n bisschen zu früh dran, Frollein«, ruft hinter mir eine Stimme mit sympathischem, platthessischen Dialekt.
    Ich drehe mich um. Der Opa ist ungefähr neunzig, zumindest sieht er so aus, trägt einen Adidas-Sportanzug und Adiletten.
    »Ähm… haben Sie nicht geöffnet?«
    »Ham’se net gelese? Einlass erst ab neun. Jetzt könnese da noch net nei.«
    »Aber…« Verdammt. Wo ist Janosch? Ist er vielleicht gar nicht hier? Oder in einem anderen Schwimmbad? »Gibt es hier noch ein anderes Schwimmbad?«
    »Na hörese mal. Mir sann ’ne Fünftausend-Seelen-Gemeinde, was solle mer dann mit zwei Schwimmbäder?«
    Okay. Nur dieses Schwimmbad. Verstanden. Vielleicht hat Janosch ja gelogen. Ich kralle beide Hände in die Haare, als könnte ich dann besser denken.
    Anscheinend gucke ich so verzweifelt, dass mich der Adiletten-Opi fragt: »Suchense jemand?«
    »Nein. Also doch, ehrlich gesagt ja. Mein Freund hat behauptet, dass er hier zum Schwimmen ist.«
    »Jetzt? Jetzt is hier kaaner schwimme! Es ist doch Silvester, Kind! Die Leut ham all was Besseres zu tun. Hier gibt es awwer ab neun Uhr eine Fete. Die ham mei Enkelkinder organisiert, ich hab dademit ja auch nix am Hut. Vielleicht kommense gegen neun Uhr einfach noch emal vorbei, vielleicht ist Ihr Freund dann hier auf der Fete.« Fetefetefete, kann er mir nicht mal zuhören?
    »Mein Freund sagte, er will schwimmen und nicht feiern.«
    »Aber ich sach doch, hier schwimmt kaaner.« Der Opi wird jetzt lauter.
    Jaja, entschuldige bitte, dass ich meine verdammte BEZIEHUNG retten will. Beziehungsprobleme und romantische Versöhnungen wurden wohl erst nach dem ersten Weltkrieg erfunden.
    Ich werde wahnsinnig. Hektisch krame ich mein Handy aus der Hosentasche und wähle Janoschs Handynummer. Bereits nach dem ersten Klingeln geht die Mailbox dran. Der Opi guckt mich dabei sehr interessiert an.
    Die Mailboxtante quakt vor sich hin, dann kommt der Piepton, und ich lege einfach los: »Janosch, hier ist Feli. Ich muss mit dir reden. Jetzt. Ich bin im Schwimmbad. Bitte, Janosch. Bitte.«
    »Ach, sachense bloß, der junge Herr Winter is der Freund, den Sie suche?«
    Ich stecke das Handy weg. »Ja!«
    »Aja, warum sachese des denn net gleich?«
    Woher soll ich denn wissen, dass er Janosch kennt? Ach ja, ich vergaß: In einer Fünftausend-Seelen-Gemeinde kennt sicher jeder jeden.
    »Ja, der is hier.«
    »Aber Sie haben doch gerade gesagt, hier schwimmt heute keiner!«
    »Der kleine Winter is so oft hier, den zähle mer gar net mehr mit zu den Gästen, wissese?« Nee, weiß ich nicht, aber danke. »Der is drüwwe im Trainingsbecken, bei uns trainiert nämlich der Schwimmverein, müssese wisse. Da war ich früher auch drin. Elfmaliger Kreismeister, hundert Meter Freistil, fünfhundert Meter Brust, ich hab se all gewonne!«
    Ist mir egal, ist mir total egal.
    Er setzt sich in Bewegung, und die Adiletten schwappen mit einem ekligen Geräusch auf dem feuchten Boden. Dann
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