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Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)

Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)

Titel: Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
Autoren: Harald Schneider
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Schild. Ohne geziemende Kleidung darf man nicht in den Dom.«
    Stefanie
erklärte es ihr. »Das ist ein altes Wort und bedeutet, dass man sich angemessen
verhalten und anziehen soll. Da der Dom eine Kirche ist, und in der Gruft ein paar
Kaiser begraben sind, sollte man zum Beispiel nicht im Bikini reingehen.«
    »Langweilig«,
war ihre Antwort.
    Ich ließ
meiner Familie den Vortritt und sagte zu ihnen: »Los, lasst uns ins Mittelschiff
gehen.«
    »Kann das
Ding schwimmen?«, fragte mein Junge sofort. »Wie kommt das zum Rhein runter?«
    Dummerweise
war er auch dieses Mal eine Nuance zu laut. Eine Dame mittleren oder gehobeneren
Alters schaute erst Paul, dann mich böse an und legte ihren Zeigefinger auf den
Mund. Ich war in diesem Moment auf alles gefasst, glücklicherweise verstand Paul
die Geste und antwortete nicht mit einer anderen Fingergeste.
    Stefanie
las ihrer Tochter aus einem Informationsblatt vor und erklärte ihr gerade die verbliebenen
Schraudolph-Fresken an der Nordseite. Ich stand zwar wenige Meter dahinter, das
›Langweilig‹ hörte ich trotzdem. Unbeirrt ging meine Frau weiter und wir folgten
ihr. Wir erreichten eine Treppe.
    »Da oben
geht’s zur St. Katharinenkapelle mit den Reliquien, das wird bestimmt interessant.«
    »Langweilig.
Was sind Reliquien, Mama?«
    Ich grinste
in mich hinein und folgte meiner Familie. Hoffentlich kam Stefanie nicht auf die
Idee, einen der Türme besteigen zu wollen. Um meine Kondition war es zwar noch sehr
gut bestellt, bis nach oben würde ich höchstens drei oder vier Basislager benötigen,
aber wenn im Turm die Wehen einsetzen würden, hätten wir ein Problem. Als Geburtshelfer
wäre ich zwar allemal brauchbarer als Dr. Metzger, richtig heiß war ich auf diesen
Job aber nicht.
    »Hier, seht«,
sagte Stefanie, als wir in der Kapelle ankamen, die an den Dom angebaut war. »Ungefähr
drei oder vier dieser Kapellen sind noch vorhanden, früher sollen es um den Dom
herum rund ein Dutzend gewesen sein.«
    Vielleicht
hatte man damals noch ein paar Steine übrig und konnte sie wegen fehlerhafter Vertragsgestaltung
nicht zurückgeben, dachte ich.
    An den Außenseiten
des quadratischen Raumes standen mehrere Vitrinen, in denen Dinge lagen, mit denen
weder ich noch die Kinder etwas anzufangen wussten.
    »Teile dieses
Beichtstuhls stammen von dem Original, in dem Edith Stein gebeichtet haben soll«,
sagte meine Frau und deutete auf den Holzschrank, der auf der Kapellenseite, die
zum Dom gerichtet war, stand.
    »Langweilig.«
Ups, das war mir herausgerutscht. Melanie lächelte mich an. »Gehen wir nachher noch
Pommes essen, Paps?«
    Fiktive
Blitze schossen aus Stefanies Augen. »Zur Strafe gibt’s heute Abend Rosenkohl.«
    Das war
hart. Rosenkohl galt für mich nicht als Lebensmittel, sondern als Folterinstrument.
    »Schaut
euch wenigstens die anderen Reliquien an. In dieser hier liegt ein Knochen von Pfarrer
Nardini, der im Speyerer Bistum wirkte und inzwischen seliggesprochen wurde.«
    Melanie
war das böse Wort schon auf der Zunge gelegen, ich konnte sie gerade noch von der
Aussprache desselben abbringen.
    »Jetzt gehen
wir runter in die Krypta.«
    »Willst
du dir das wirklich antun, Stefanie? Da unten ist es doch bestimmt dunkel, eng und
staubig. Nicht, dass unserem Sohn etwas zustößt.«
    »Und ich
bin dir egal?«, mischte sich Melanie ein.
    »Ach was,
natürlich nicht. Genauso wenig wie Paul. Ich meine doch deinen ungeborenen Bruder.«
    »Spinnst
du, Paps? Das muss ein Mädchen werden, sonst wandere ich aus.«
    Diese kleine
familieninterne Diskussion brachte Stefanie dazu, wieder ein Lächeln aufzusetzen.
    »Wartet’s
einfach ab«, sagte sie diplomatisch und ging die Treppe nach unten in den Langbau.
Dort bezahlte ich einen kleinen Obolus, damit wir in die Krypta durften.
    Ich bemerkte
einige Touristen, die mit einem Walkman herumliefen. Ungeheuerlich so etwas, selbst
meine Tochter hatte ihren MP3-Player zuhause gelassen. Die wusste wenigstens, was
man unter geziemendem Verhalten verstand. Eine gute Erziehung war heutzutage schon
etwas wert. In dem Zusammenhang fiel mir wieder ein alter Witz ein. Man fragt jemanden,
ob er den Unterschied zwischen kostenlos und umsonst kennt. Wenn dieser verneint,
gibt man die Lösung preis: Meine Erziehung war kostenlos, deine umsonst.
    Unter der
Kirche befand sich ein riesiges Kellergewölbe. Der komplette vordere Dom schien
unterkellert zu sein. Das Kryptazentrum, die Chorkrypta sowie der Süd- und der Nordarm
waren jeweils eigene
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