Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Phönix

Phönix

Titel: Phönix
Autoren: Steven Brust
Vom Netzwerk:
während mein Großvater demütig und ehrfurchtsvoll von ihr spricht, reden die Dragaeraner über sie und ihresgleichen wie ich über meine schmutzige Wäsche. Worauf ich hinauswill ist, daß ihre tatsächliche, körperliche Existenz nie in Zweifel stand. Es ist nur so: Obwohl ich aus Gewohnheit jedesmal ein kurzes Gebet an sie richte, bevor ich etwas besonders Gefährliches oder Tollkühnes angehe, ist etwas dergleichen bisher nie vorgekommen.
    Oder nein, das nehme ich zurück. Möglicherweise ist einmal – nein, das kann es nicht gewesen sein. Ist egal. Andere Geschichte.
    Wie dem auch sei, ich befand mich urplötzlich anderswo, ohne das Gefühl, mich bewegt zu haben, und ohne das Unbehagen, das uns Ostländer, sprich: Menschen, befällt, wenn wir uns teleportieren. Ich stand in einem Korridor ungefähr so groß wie die Speisehalle im Schwarzen Schloß. Vollkommen weiß. Makellos. Das Dach muß gut dreißig Meter über mir gewesen sein, und mindestens fünfzehn lagen zwischen den Wänden, vor denen sich im Abstand von vielleicht sieben Metern Säulen auftürmten. Vielleicht. Es kann auch sein, daß meine Sinne von der reinen Weiße überall verwirrt waren. Oder aber alles, was meine Sinne mir mitteilten, war an jenem Ort bedeutungslos. Zu beiden Seiten hin war kein Ende des Korridors zu sehen. Die Luft war ein wenig kühl, aber nicht unangenehm. Außer meinen Atemzügen war nichts zu hören, und dazu hatte ich dieses eigenartige Gefühl, wenn man nicht weiß, ob man sein Herz schlagen hört oder es nur spürt.
    Loiosh war vor Staunen verstummt. Das passiert auch nicht alle Tage.
    Meine erste Vermutung unmittelbar nach meiner Ankunft war, daß ich einer gewaltigen Illusion zum Opfer gefallen war, erzeugt von jenen, die mich hatten umbringen wollen. Doch dabei blieb ich nicht lange, denn wenn sie so etwas konnten, hätten sie mich auch umlegen können, was sie offensichtlich wollten.
    Ich bemerkte eine schwarze Katze zu meinen Füßen, die zu mir aufschaute. Sie miaute und lief dann zielstrebig die Halle in die Richtung hinab, in die ich sah. Na schön, dann bin ich eben verrückt, aber mir scheint, wenn man tief in Schwierigkeiten steckt und zu seiner Göttin betet und dann plötzlich irgendwo ist, wo man noch nie vorher war, und vor einem taucht eine schwarze Katze auf und läuft los, dann geht man ihr nach.
    Ich ging ihr nach. Meine Schritte hallten sehr laut wider, was irgendwie beruhigend wirkte.
    Ich ließ mein Rapier in die Scheide zurückgleiten, weil die Dämonengöttin es mir sonst übelnehmen konnte. Der Korridor verlief ganz gerade, und sein Ende wurde durch einen feinen Nebel verborgen, der sich direkt vor mir teilte. Wahrscheinlich eine Illusion. Die Katze blieb immer genau am Rande davon, kurz bevor sie in ihm verschwand.
    Loiosh fragte: »Boß, treffen wir sie jetzt gleich?«
    Ich antwortete: »Scheint so.«
    »Oh.«
    »Ihr seid euch schon begegnet –«
    »Ich erinnere mich, Boß.«
    Jetzt verschwand die Katze wirklich im Nebel, der sich nicht mehr bewegte. Die nächsten zehn Schritte konnte ich keine Wände mehr sehen. Plötzlich war es kälter, und ich fühlte mich genauso wie in dem Keller, aus dem ich kürzlich entkommen war. Türen erschienen, die sich eben öffneten, sehr langsam, theatralisch. Sie waren doppelt so groß wie ich, und auf ihnen prangten, weiß auf weiß, Schnitzereien. Irgendwie war es ein bißchen, na ja, albern, daß sich beide Türen bedächtig so weit auftaten, wo ich doch nur ein wenig Platz benötigte. Außerdem wußte ich nun nicht, ob ich warten sollte, bis sie ganz offenstanden, oder hineingehen, sobald ich durchpaßte. Ich stand da und kam mir lächerlich vor, bis ich etwas sehen konnte. Noch mehr Nebel. Ich seufzte, zuckte die Achseln und ging hinein.
    Diesen Ort als Zimmer zu bezeichnen wäre schwierig – er war eher wie ein Hof mit Fußboden und Decke. Zehn bis fünfzehn Minuten waren seit meiner Ankunft hier verstrichen. Loiosh sagte nichts, doch ich spürte seine Anspannung am Griff seiner Krallen in meiner Schulter.
    Sie saß auf einem weißen Thron, der auf einem Podest stand, und sie sah aus, wie ich sie in Erinnerung hatte, nur ähnlicher. Sehr groß, ein Gesicht, das etwas undefinierbar Fremdartiges hatte, in das man aber kaum so lange schauen konnte, um die Einzelheiten erfassen zu können. An jedem Finger war ein zusätzliches Glied. Ihr Umhang war weiß, Haut und Haare sehr dunkel. Anscheinend war sie das einzige in diesem Raum, und vielleicht stimmte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher