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Phönix

Phönix

Titel: Phönix
Autoren: Steven Brust
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mir als Baroness Mul-weiß-der-Geier-sen vor, aber ich hörte den Namen Winsch, wenn die anderen sie nicht gerade »Käptn« nannten. Für eine Dragaeranerin war sie stämmig, mit zerknautschtem Gesicht und recht aufbrausend. Sonst war nur noch ein Offizier an Bord, und zwar Yinta, über deren breiten Mund eine lange Nase wuchs und die immer aussah, als wäre sie halb eingeschlafen.
    Der Kapitän begrüßte mich ohne große Begeisterung an Bord und bat mich höflich, mit meinem »Arsch nicht immer im Weg rumzustehen, klar, Milchbart?« Loiosh, der auf meiner Schulter ritt, rief mehr Interesse hervor, jedoch keine Bemerkungen. Auch gut. Das Schiff war von der Art, die Küstenboot genannt wird; gebaut, wie man mir erzählte, für kurze Seefahrten. Es war vielleicht zwanzig Meter lang und hatte einen Mast mit zwei quadratischen Segeln, einen mit einem kleinen dreieckigen Segel vorne und einen dritten, der ein etwas größeres hinten trug, ebenfalls quadratisch. Ich ließ mich an Deck zwischen ein paar großen Fässern nieder, die nach Wein rochen. Der Wind machte angenehm klatschende Geräusche an den Segeln, als diese festgemacht wurden, während gleichzeitig ein paar Taue gelöst und wir mit Pfählen, die ich nicht mal hätte anheben können, von der Hafenmauer abgestoßen wurden. Matrosen, Besatzung und Offiziere stammten alle aus dem Haus der Orca. Oben am Mast wehte eine Flagge, die einen Orca und einen Speer und so etwas wie den Turm eines Schlosses oder einer Festung zeigte.
    Bevor ich abgereist war, hatte mir jemand einen Zauber gegen Seekrankheit gegeben. Den faßte ich jetzt an und freute mich. Das Boot hob und senkte sich allerdings, ehrlich gesagt, nicht so heftig wie ich befürchtet hatte.
    »Auf so einem Ding bin ich noch nie gewesen, Loiosh.«
    »Ich auch nicht, Boß. Könnte Spaß machen.«
    »Das hoffe ich.«
    »Besser als ein Keller in Süd-Adrilankha.«
    »Das hoffe ich.«
    In der untergehenden Sonne sah ich die Hafenmauer. Die Seeleute wurden wieder aktiv, und dann waren wir auf dem offenen Meer. Ich berührte noch einmal den Zauber und fragte mich, ob ich wohl schlafen könnte. Schließlich machte ich es mir so bequem wie möglich und versuchte, auf fröhliche Gedanken zu kommen.
     
     
    Wenn ich an das Haus der Orca denke, dann meistens an die jüngeren, sagen wir hundert oder hundertfünfzig Jahre alt und hauptsächlich männlich. Als ich klein war, bin ich ständig mit kleinen Grüppchen von denen zusammengestoßen, die bei der Schenke meines Vaters herumhingen, sich stark vorkamen und Passanten geärgert haben; besonders Ostländer und besonders mich. Ich habe mich immer schon gefragt, warum es die Orca waren, die so etwas taten. Lag es daran, daß sie so lange alleine waren, während ihre Familien auf dem Meer fuhren? Hatte es mit den Orcas im Meer zu tun, die ihrerseits häufig in Schwärmen umherschwammen und alles töteten, das kleiner war als sie? Jetzt weiß ich es: Der Grund ist, daß sie soviel gepökelte Kethnas essen.
    Bitte versteht mich, gepökelte Kethnas finde ich an sich nicht schlecht. Sie sind zäh und ziemlich fad, ja, aber nicht grundsätzlich unangenehm. Wie ich allerdings so in meiner kleinen Koje auf der Stolz des Chorba hockte, gegen den kalten Morgenwind zusammengekauert, und ein paar Scheiben mit einem Kanten Brot und einer Schale Wasser überreicht bekam, wurde mir klar, daß sie wohl eine Menge davon aßen, und so etwas, nun ja, kann eine Person irgendwie verändern. Es ist nicht ihre Schuld.
    Der Wind wehte mir am nächsten Morgen ins Gesicht, als ich in Fahrtrichtung schaute, so daß ich überlegte, wie das Schiff vorangetrieben werden konnte, aber ich habe nicht gefragt. Keiner wirkte besonders freundlich. Ich teilte mir den gepökelten Kethna mit Loiosh, dem er besser schmeckte als mir. An das, was ich vorhatte, verschwendete ich keinen Gedanken, denn das hatte keinen Sinn. Noch wußte ich nicht genug, und blindes Spekulieren kann einen voreingenommen machen, was zu Fehlern führen kann. Statt dessen studierte ich das Wasser, das grün war, und hörte zu, wie die Wellen seitlich ans Schiff schlugen und wie die Seeleute um mich herum sich unterhielten. Sie fluchten mehr als die Dragon, wenn auch weniger einfallsreich.
    Der Mann, der das Frühstück gebracht hatte, stand neben mir, starrte aufs Meer und kaute auf seinem Essen herum. Anscheinend war ich der letzte, der was bekam. Ich beobachtete sein Gesicht. Alt war es und faltig, mit sehr tiefliegenden hellblauen
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