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Phobia: Thriller (German Edition)

Phobia: Thriller (German Edition)

Titel: Phobia: Thriller (German Edition)
Autoren: Wulf Dorn
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ihr. Seine Augen waren gerötet, und er sah aus wie ein bleiches Gespenst.
    »Sarah«, sagte er. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich das alles bereue. Wie leid es mir tut. Ich weiß, es ist nicht zu entschuldigen, deshalb werde ich dich auch nicht um Verzeihung bitten. Aber eines sollst du wissen. Wer immer dieser Mann auch gewesen ist, in einem hat er recht gehabt. Ich hatte seine Strafe verdient.«
    Harvey kam auf sie zugelaufen.
    »Mummy, Daddy«, rief er. »Seid ihr bald fertig? Ihr habt mir doch einen Comic versprochen. Nun kommt schon, der Zeitschriftenstand schließt gleich.«
    Stephen wandte sich ihm zu und lächelte. Es war ein schwaches, zerbrechliches Lächeln.
    Nein , dachte Sarah, ohne es laut auszusprechen. Nein, Stephen, du irrst. Dieser Mann hat dir Unrecht angetan. Er hat uns beiden Unrecht angetan. Er hat mir seine Gründe zu erklären versucht, und ich konnte sie nachvollziehen. Aber billigen … Nein, billigen kann ich sie nicht .
    Dass ihr Mann nun vor ihr stand, mit rot geweinten Augen und so dürr, dass sie ihn fast nicht wiedererkannte, war schon schlimm genug. Aber dass er auch noch dachte, er habe diese grausame Strafe verdient, das ging zu weit.
    Wir alle machen Fehler , dachte sie, doch für Reue ist es nie zu spät. Ob man uns vergeben wird, steht auf einem anderen Blatt, das liegt nicht in unserer Macht. Aber keine Bestrafung kann begangenes Unrecht rückgängig machen .
    Angst mochte vielleicht ein guter Lehrer sein, wie es der Unbekannte behauptet hatte, aber der beste Lehrer war immer noch die ehrliche Einsicht.
    »Stephen?«
    Er hielt Harvey im Arm und sah sie an, das zerbrechliche Lächeln für ihren Sohn noch auf den Lippen.
    »Was wirst du jetzt tun?«, fragte sie. »Was sollen wir jetzt tun?«
    Sein Blick wurde wieder ernst. Er schien zu überlegen und schaute dabei auf Harvey herab. Dann zog er den Brief des Unbekannten aus seiner Tasche, entfaltete ihn und las die Worte erneut.
    Die akkuraten Druckbuchstaben auf dem blütenweißen Papier. Letzte Worte eines Toten.
    NIEMAND MUSS ES JE ERFAHREN.
    82.
    Aus der Times vom 27. Dezember:
    AUSSERGEWÖHNLICHES WEIHNACHTSGESCHENK
    In den Weihnachtsmärchen heißt es, dass zu dieser Zeit Wunder geschehen können. Über ebensolch ein Wunder darf sich nun die Royal-Marsden-Krebsklinik freuen.
    Wie der Chefarzt, Dr. Andrew Stone, unserer Redaktion mitteilte, erhielt er an Heiligabend ein als Terminlieferung deklariertes Paket, in dem sich 65 000 Pfund Bargeld befanden. In einem beiliegenden Brief bat der Absender, der sich namentlich nicht zu erkennen gab, dieses Geld der Abteilung für Krebsforschung zukommen zu lassen.
    Im Namen der Klinik möchte Dr. Stone dem anonymen Spender auf diesem Wege herzlich danken.
     

 
    Drei Monate später
    »Wir hätten mit dieser Kiste anfangen sollen.«
    Erik Schmidt zog ein gemustertes Stofftaschentuch aus seiner grünen Latzhose mit dem Aufdruck Schmidt & Sohn – Ihre Umzugsprofis und wischte sich den Schweiß von der kahlen, geröteten Stirn. Als er merkte, dass Mark seinen Scherz nicht verstanden hatte, fügte er hinzu: »Na ja, es war die letzte Kiste.«
    Mark schmunzelte. »Prima, ich komme dann gleich nach.«
    »Keine Eile, wir rechnen schließlich nach Stunden ab«, lachte Schmidt und stopfte das Taschentuch in seine Hose zurück. »Sie können sich also ruhig noch Zeit lassen.«
    Dann hob er die Umzugskiste an, wobei er etwas in der Art von »Wie kann man nur so viele Bücher besitzen?« in seinen nicht vorhandenen Bart murmelte, und stapfte schnaufend ins Treppenhaus.
    Mark machte noch einen letzten Rundgang durch die Wohnung, in der sich die Frühlingswärme unter den Dachschrägen staute und der Straßenlärm durch die undichten Fenster drang. Dort, wo Schmidt die Kiste weggenommen hatte, tanzten Staubpartikel in einem Sonnenstrahl.
    Er hätte sich nie vorstellen können, dass er eines Tages beim Auszug aus diesem renovierungsbedürftigen Altbau ein wenig schwermütig werden könnte. Aber nun durchschritt er langsam noch einmal die drei kleinen Räume und dachte daran, wie viel sie schon von ihm gesehen hatten. Und nicht nur seine Sonnenseiten.
    Mark, den Verzweifelten.
    Mark, den Depressiven.
    Mark, den Trinker.
    Und nun zum Abschied sahen sie einen neuen Mark Behrendt. Jedenfalls hoffte er das.
    Im Badezimmer schaute er noch einmal in den Spiegel und zwinkerte dem frisch rasierten Mann mit den kurz geschnittenen dunklen Haaren zu, der ihm entgegensah. Das Licht der Mittagssonne
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