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Philosophenportal

Titel: Philosophenportal
Autoren: R Zimmer
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Humanismus angesehen werden. Platon selbst dagegen
     steht für Popper am Anfang eines »Aufstands gegen die Vernunft«.
    Den zweiten Band widmet Popper den Philosophen, die diesen »Aufstand gegen die Vernunft« fortgesetzt haben. Hegel und Marx,
     die beiden »falschen Propheten«, sind die eigentlichen klassischen Philosophen des Historizismus. Aber auch Aristoteles, der
     Schüler Platons und wie dieser ein höchst einflussreicher Vertreter der klassischen griechischen Philosophie, kommt in Poppers
     Abrechnung nicht ungeschoren davon. Aristoteles sei wie Platon von der natürlichen Ungleichheit der Menschen ausgegangen und
     habe sogar die Sklaverei verteidigt. Die aristotelische Lehre, dass alle Dinge sich auf einen von vorneherein festgelegten
     Zweck hin entwickeln, habe die Auffassungen Hegels und Marx’ beeinflusst, wonach die Geschichte der Menschheit »gesetzmäßig«
     ihrer Vollendung entgegenstrebt, sei dies die Verwirklichung der Freiheit im modernen Staat bei Hegel oder die klassenlose
     Gesellschaft bei Marx. Auch hier werde das Individuum nur zu einem Werkzeug einer übergeordneten Weltvernunft.
    Der Wissenschaftstheoretiker Popper nimmt besonderen Anstoß an der von Hegel propagierten Methode der »Dialektik«: Danach
     entsteht Fortschritt dadurch, dass eine bestimmte Position (»These«) durch eine Gegenposition (»Antithese«) bestritten wird
     und beide Positionen in einer Synthese »aufgehoben«, das heißt durch eine neue Position abgelöst werden, die die Wahrheit
     der These und Antithese miteinander verknüpft – worauf diese dialektische Entwicklung auf einer höheren Ebene erneut beginnt.
     Die Dialektik ist bei Hegel und Marx sowohl die Methode des »wissenschaftlichen« Denkens als auch das Gesetz, nach dem sich
     die Wirklichkeit entwickelt. Für Popper ist diese Methode weder logisch noch wissenschaftlich. |221| Sich widersprechende Positionen können nicht gleichermaßen wahr sein. Hegel bleibt für ihn der »logische Hexenmeister«, der
     »mit Hilfe der zauberkräftigen Dialektik wirkliche, physische Kaninchen aus rein metaphysischen Zylindern hervorholt«.
    Poppers Urteil über Hegel ist nicht nur aus wissenschaftlichen Gründen, sondern auch aus menschlichen und politischen vernichtend:
     als Opportunist, der sich zum philosophischen Sprachrohr der preußischen Obrigkeit machte, der den Staat vergötterte und den
     Krieg als notwendiges Mittel rechtfertigte, um die Ziele der Weltgeschichte durchzusetzen.
    Dagegen ist sein Urteil über Marx, der das Gesetz der Dialektik auf die Ökonomie und die materiellen Verhältnisse übertragen
     hat, wesentlich milder. Zwar sei der Marxismus »eine materialistische und zugleich mystische Religion«, doch gesteht Popper
     ihm immerhin ernsthafte humanitäre Absichten zu, nämlich die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit. Die Voraussagen, die Marx
     dagegen über die Zukunft der kapitalistischen Gesellschaft gemacht habe, hätten sich alle als falsch erwiesen: Es sei nicht
     zu einer Verelendung der arbeitenden Klassen gekommen und eine soziale Revolution sei durch Reformen in weite Ferne gerückt.
    Eine offene Gesellschaft hingegen kann nach Popper sowohl auf einen utopischen Gesamtentwurf als auch auf jede Art von Geschichtsprophetie
     verzichten. Aus der engen Beziehung zwischen den Grundsätzen seiner Wissenschaftstheorie und der politischen Philosophie entwickelt
     er eine neue Theorie der Demokratie, deren Grundlage keine historische Gesetzmäßigkeit, sondern die Freiheit und Selbstverantwortung
     des Bürgers ist.
    Die bei Philosophen wie Platon und Marx so wichtige Frage: »Wer soll regieren?«, muss nach Popper durch eine ganz andere Frage
     abgelöst werden: Wie nämlich muss ein politisches System beschaffen sein, das die Freiheit des Bürgers schützt und soziale
     Gerechtigkeit befördert? Wie in der Wissenschaft, so spielt auch in der Demokratie die Kritik für Popper die entscheidende
     Rolle. Die Demokratie muss Raum für Opposition und öffentliche Kritik bieten, und sie muss Institutionen entwickeln, die eine
     Fehlerkontrolle der regierenden |222| Politiker erlauben. Poppers Demokratietheorie schließt also auch das ein, was man heute als »Zivilgesellschaft« bezeichnet.
    Vor allem müssen das Volk und seine Vertreter die Möglichkeit haben, eine Regierung auf friedlichem Wege abzuwählen. Für Popper
     ist dies geradezu das entscheidende Merkmal der Demokratie: Nicht wer regiert, ist wichtig, sondern die
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