Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Phillips Bilder (German Edition)

Phillips Bilder (German Edition)

Titel: Phillips Bilder (German Edition)
Autoren: J. Walther
Vom Netzwerk:
stehe ich auf und suche im Garten nach Motiven. An einigen Stellen streift das Licht einzelne Partien, scheint durch Gräser und Blütendolden, aber kein Bild reizt mich. Ich gehe zurück an den Tisch und trinke einen Schluck Bier.
    „Glaubst du, Seth kommt heute noch mal?“, frage ich Benjamin und bemühe mich, möglichst arglos zu klingen.
    „Abendessen ist vorbei. Ich sag mal, eher nicht.“
    Unschlüssig drehe ich meine Bierflasche in der Hand.
    „Geh schon fotografieren“, ermuntert mich Benjamin.
    „Na gut. Bis später.“ Beiläufig drücke ich Benjamins Schulter, so wie Seth es bei mir gemacht hat. Erst in der Einfahrt merke ich, dass ich David übergangen habe. Auf der Dorfstraße wende ich mich in die entgegengesetzte Richtung wie heute Vormittag mit Benjamin. Es ist gerade acht und im Dorf ist es ganz still. Rötliches Abendlicht streift die Wiesen. Schnell mache ich ein paar Fotos, aber das ist noch nicht, was ich suche. Ich gehe weiter, höre Leute grillen, noch bevor ich den Geruch wahrnehme.
    Als ich fast das Ende des Dorfes erreicht habe, biege ich in einen von Grün halb überwucherten Weg, gehe an einer Mauer aus geschwärzten Ziegeln entlang. Sie wird von einem Metalltor durchbrochen. Dahinter erhebt sich eine alte, marode Fabrik. In den großen bogenförmigen Fenstern fehlen einzelne Scheiben, auf dem Dach wächst eine Birke. Aber das ist es – das Abendlicht strahlt die ganze Front an, durchleuchtet die Räume. Ich fotografiere das Gebäude durch das schmiedeeiserne Tor hindurch, aber das reicht mir nicht. Ich muss es ganz haben.
    Ein Stück weiter ist ein Teil der Mauer eingestürzt, und ich kann ohne Probleme darüber klettern. Das Grundstück ist von jungen Bäumen, Sträuchern und Gras überwuchert. Ich fotografiere einen alten Herd, durch dessen leere Kochplatte eine Birke wächst, und eine Ansammlung von Pappeln, in deren Mitte eine verrostete Abfalltonne eingewachsen ist. Dann pirsche ich mich an das Gebäude heran. Von schräg unten kommt die eindrucksvolle Front mit den vielen Fenstern gut zur Geltung. Dann nehme ich mir die Sprossen eines einzelnen Fensters vor, mache eine Detailaufnahme. Das Abendlicht lässt eine Landschaft aus Rost entstehen. Danach klettere ich auf eine Rampe, um durch ein Fenster die leere Fabrikhalle zu fotografieren. Dreck liegt herum, die Farbe blättert von den Wänden und ich messe sorgfältig die Belichtung, mache einige Fotos.
    Dann muss ich zwei Minuten lang an der Kamera kurbeln, um den Film zurückzuspulen und einen neuen einzulegen. Unter der Rampe entdecke ich einen verrosteten Metallträger, von dem ich mit dem Tele Nahaufnahmen mache. Von einer Metalltür blättern mehrere Schichten Lack, die ein impressionistisches Motiv ergeben.
    Danach gehe ich rückwärts, nehme noch einmal die ganze Front auf, die Fenster in der Hofecke, durch die das Licht scheint und das zweite Gebäude. Erst als der Film blockiert, habe ich genug. Ich verlasse das Gelände, wie ich gekommen bin, und gehe zurück. Der Himmel ist jetzt orange und es beginnt zu dämmern.
    David und Benjamin sitzen immer noch am Gartentisch. Seth ist nicht da. Ich trete näher.
    „Noch ein Bier?“, fragt mich David.
    „Klar“, ich lege ihm die Hand auf die Schulter.
    „Wo hast du denn fotografiert?“, fragt Benjamin.
    „Bin nach rechts gegangen. Da war so eine alte Fabrik.“
    „Die alte Spinnerei, ja.“ Benjamins Blick wird weich. „Schade, dass sich um die keiner mehr kümmert. Da war sogar ein Schwimmbecken im Keller.“
    „Quatsch!“
    „Doch, ist noch aus DDR-Zeiten.“
    „Marek könnte sich ja drum kümmern“, sagt David leise, aber deutlich.
    Benjamin wirft ihm einen Blick zu. „Du weißt genau, dass er nicht die Mittel dafür hat. Er hat sie vor allem gekauft, damit sie nicht abgerissen wird.“
    „Ja, vor allem.“ David nippt an seinem Bier und sieht so unnahbar aus, wie der alte David. Wie der David, der auf der Obstwiese saß und ungerührt einen Joint rauchte.

- 4 -
    Seth

    Es raschelt im Gras, irgendwo am Bach, und Jurek kommt näher. Ich warte darauf, dass er zu mir in die Hängematte springt, aber nichts passiert. Ich öffne die Augen. Seth steht neben mir, sieht mich an. Seine Haut leuchtet im spärlichen Licht. Ich rapple mich ein Stück aus dem Schlafsack. Seth hebt den Kopf kurz, weniger als ein Nicken, was wohl seine Art der Begrüßung ist.
    Ich strecke die Hand nach ihm aus. Er tritt einen Schritt vor und ich schiebe sein T-Shirt hoch. Meine Art der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher