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Phillips Bilder (German Edition)

Phillips Bilder (German Edition)

Titel: Phillips Bilder (German Edition)
Autoren: J. Walther
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Benjamin.
    „Später, okay?“ Ich habe keine Lust, ihn anzurufen. Weiß nicht, was ich sagen soll, wenn er von dem Laden und der Ausbildung anfängt. „Reicht nicht morgen?“
    Benjamin stellt seinen Kaffee auf den Tisch, steht auf und beginnt zu sensen. David sieht ihm nach, wirft mir einen Blick zu, sagt aber nichts. Er löffelt Eis und Sahne aus. „Heiß heute wieder“, er streicht seine langen Haare nach hinten, „Sag ihm Bescheid, ja?“ Er nimmt das Tablett mit, als er ins Haus geht. Ich hole meine Sense und versuche es wieder, strenge mich an.
    Als Benjamin seine Sense abstellt, richte ich mich auf, froh über die Pause. „Wer hat dir das beigebracht?“
    „Sensen? Mein Vater. Ich wollte es unbedingt lernen als Kind.“
    „Echt?“ Ich hätte so was bestimmt nicht lernen wollen. Mein Vater bestand darauf, dass ich Rasen mähen lernte, als ich elf war. Und dass ich dann alle vierzehn Tage unseren Rasen mähte. Dazwischen mähte er ihn noch zweimal. Mindestens.
    Es war Sommer und ich wollte mit Moritz ins Schwimmbad oder mit den Rädern in den Wald. Oder bei Moritz’ Familie im Garten Limonade aus frischen Minzblättern trinken.
    Die Sonne brannte auf meinem Rücken, Schweiß lief mir herunter, der Rasenmäher war schwer und stank nach Benzin. Je mehr ich mähte, desto größer wurde die Wiese. Auf ihr waren ein paar kleine Obstbäume und kümmerliche Sträucher verteilt. Die Nachbarn sahen mir zu oder gaben über den Maschendrahtzaun kluge Ratschläge. Meine Mutter pflegte vor dem Haus die dürren Rosen in der schmalen Rabatte.
    Kaum hatte ich den Rasenmäher im Schuppen verstaut, schnappte ich mir mein Rad und machte mich auf den Weg zu Moritz. Ich fuhr durch die Siedlung und erreichte bald den Stadtrand. Ich radelte den staubigen Weg an den Bahnschienen entlang. Es war nicht weit bis zu Moritz’ Dorf, wenn ich mich richtig ins Zeug legte.
    Dort ließ ich mein Rad achtlos am Zaun stehen und ging in den Garten. Er war umgeben von einer hohen Hecke aus Sträuchern, das Gras war hoch und ungepflegt, für Wege und Sitzplätze heruntergetrappelt. Moritz’ Schwestern und ihre Freundinnen schaukelten oder bauten sich im Unterholz der alten Sträucher Höhlen. Ich fand Moritz im Baumhaus oder in seinem Zimmer unterm Dach.
    Seine vier Geschwister hatten alle rote Haare, nur er war schwarzhaarig wie sein Vater. Der hatte eine wilde Mähne und einen üppigen schwarzen Bart. Im Manufakturanbau hinter dem Haus war sein Atelier, in dem es nach Farben und Verdünnung roch. Durch die hohen Fabrikfenster auf beiden Seiten fiel ungehindert das Licht. Dort entstanden große Objekte aus Weidenruten, Draht und Nesselstoff oder dreidimensionale Bilder in düsteren Farben.
    Moritz’ Mutter war klein und zierlich, hatte lange braune Haare und eine Nickelbrille. Sie machte für die unermüdliche Kinderschar, die durch Haus und Garten zog, frische Limonade mit Eiswürfeln, gab uns Brotteig für Knüppelkuchen oder buk Eierkuchen in vier Pfannen gleichzeitig.
    Abends spannte Moritz’ Vater manchmal Nesselstoff zwischen die Bäume und projizierte Stummfilme darauf. Susann, die älteste Schwester, spielte dazu auf dem Klavier. Ich saß neben Moritz auf der Bank und starrte gebannt auf die schwarz-weißen Bilder, auf eine gigantische Hochhausstadt voller kleiner Autos oder Faust, der über Täler und Berge flog.
    „Keine Lust mehr?“, Benjamin reißt mich aus meinen Gedanken.
    „Nein, nicht so richtig.“ Ich schaue mich um. Obwohl ich geholfen habe, ist nur ein kleiner Teil der Wiese gemäht. Trotzdem tut mir der Rücken und die linke Hand weh. Mein Vater hätte in derselben Zeit viermal so viel geschafft. Obwohl, bei dem hohen Gras hätte der Rasenmäher keine Chance. Ich stelle die Sense an die Hauswand und hole mein Handy. Mir fällt ein, dass ich es im Zug ausgeschaltet habe und seit dem nicht wieder an. Trotzdem habe ich weder eine Nachricht bekommen noch einen Anruf verpasst.
    Ich setze mich an den Tisch und schreibe meinem Vater eine SMS. Das muss fürs Erste genügen.

    Nach dem Abendessen sitzen wir wieder im Garten und trinken Bier. Die Temperatur ist jetzt angenehmer, im Schatten der großen Bäume ist es fast kühl. Ich beobachte, wie die Abendsonne die Wipfel der Bäume in ein warmes Licht taucht, während ich an meinem Bier nippe. Die Stimmung weckt meine Lust zu fotografieren. Als ich immer unruhiger werde, hole ich meine neue alte Kamera, aber ich bekomme keinen schönen Ausschnitt von den Bäumen. Also
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