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Philippas verkehrte Welt

Philippas verkehrte Welt

Titel: Philippas verkehrte Welt
Autoren: Patricia Schroeder
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unserer Familie deutlich aus der Art fiel. Immer wenn wir auf Festen mit unserer weitläufigen Verwandtschaft zusammentrafen, rätselten Onkel, Tanten und Großeltern darüber, von welchem meiner Vorfahren ich diese ausgefallene Farbe wohl geerbt haben mochte. Bisher hatte niemand eine Erklärung dafür, einzig die gute alte Tante Traudel, die schon ein wenig schusselig war, meinte sich daran erinnern zu können, dass auch unsere Urgroßmutter Frieda grüne Augen gehabt habe.
    Mir persönlich war das Ganze vollkommen piepegal. Ich mochte meine Augenfarbe, denn sie war ein hübscher Gegensatz zu meinem faden Haarton. Krister und Josefine hatten diesbezüglich mehr Glück gehabt und Mamas wunderschönes Weizenblond geerbt, während bei mir Papas Kastanienbraun offenbar ein wenig mitgemischt hatte.
    Beim Gedanken an ihn und sein wichtiges Gespräch geriet ich wieder ins Grübeln. Ich drehte den Kopf und schielte auf meinen Wecker. Du lieber Himmel, es war ja schon zwanzig nach neun!
    Â»Ist er mittlerweile eigentlich heimgekommen?«, fragte ich leise, nachdem ich tief Luft geholt hatte.
    Mama runzelte die Stirn. »Wer?«
    Â»Na, Papa.«
    Sie strich mir flüchtig über die Wange. »Nein. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, kann das auch noch ein Weilchen dauern.«
    Â»Was ist denn das für eine komische Kundin?«, fragte ich. »Er hat doch wohl keine … ich meine …?« Ich schaffte es einfach nicht, diese Ungeheuerlichkeit auszusprechen.
    Â»Nein, hat er nicht«, kam Mama mir zu Hilfe, und jetzt lächelte sie wieder und kniff mir liebevoll in die Nase. »Was denkst du nur!«
    Â»Dann sag mir doch bitte, was das für ein Termin ist«, bettelte ich. »Wieso redet er mitten in der Nacht mit einer wildfremden Kundin?«
    Meine Mutter wandte die Augen zum Dachfenster hinauf und seufzte.
    Â»Eigentlich habe ich ihm versprochen, euch noch nichts davon zu erzählen.«
    Â»Mama … bitte!«, flehte ich. »Ich kann sonst garantiert nicht einschlafen.«
    Sie musterte mich forschend. »Also gut«, lenkte sie schließlich ein. »Deinen Geschwistern sagst du aber vorerst nichts davon. Die werden es noch früh genug erfahren.«
    Â»Was denn?« Plötzlich war ich so aufgeregt, dass ich am liebsten aus dem Bett gesprungen und im Zimmer auf und ab gelaufen wäre.
    Â»Eine Dame, die er vor einiger Zeit zum Flughafen gefahren hat, war heute wieder seine Kundin.«
    Â»Na, das ist ja ein Zufall!«, rief ich. »Und?«
    Â»Sie hat ihm einen Job angeboten.«
    Ich merkte, wie meine Augen immer größer wurden. »Und?«, fragte ich noch einmal. »Ist er cool? Wird Papa ihn annehmen?«
    Â»Das wissen wir noch nicht«, sagte Mama. »Das Ganze scheint nämlich mit gewissen Auflagen verbunden zu sein, die uns alle betreffen.«

    Mein Argument, dass ich nicht einschlafen könnte, wenn ich nicht wüsste, warum mein Vater heute so lange wegblieb, war jetzt natürlich hinfällig, denn nun kriegte ich wegen dieser gewissen Auflagen die halbe Nacht kein Auge zu. Bedauerlicherweise hatte Mama sich darüber nämlich nicht näher auslassen wollen, jedenfalls nicht, bevor sie von Papa Genaueres erfahren würde.
    Eines war mir allerdings jetzt schon klar: Der Job musste interessanter sein als den ganzen Tag Taxi zu fahren – und wahrscheinlich auch besser bezahlt. Doch worin, zum Teufel, mochten bloß die damit verbundenen Auflagen bestehen? Darüber zermarterte ich mir das Gehirn, während ich mich in meinem Bett hin und her warf und dabei die Bettdecke zu einer dicken Wurst verarbeitete, doch leider fielen mir zu diesem Thema nur sehr wenig erbauliche Dinge ein.
    Vielleicht würde mein Vater bei dieser Frau mehr und länger arbeiten müssen als bisher oder der neue Job beschränkte sich auf die Nacht, was bedeuten würde, dass wir Papa in Zukunft kaum noch zu Gesicht bekämen. Noch schrecklicher wäre es allerdings, wenn er viel reisen müsste, beziehungsweise sein Arbeitsplatz sich in einer ganz anderen Stadt oder sogar in einem anderen Land befände.
    Das wollte ich um jeden Preis verhindern, und so spitzte ich angespannt die Ohren, damit ich auf keinen Fall verpasste, wann mein Vater nach Hause kam.
    Ich wartete und lauschte und lauschte und wartete. Zwischendurch warf ich immer wieder einen Blick auf meinen Wecker. Es wurde halb elf, elf, halb zwölf …
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