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Philippas verkehrte Welt

Philippas verkehrte Welt

Titel: Philippas verkehrte Welt
Autoren: Patricia Schroeder
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daran so besonders?«, brummte mein Bruder. »Er hat doch den ganzen Tag Gespräche mit Kunden.«
    Â»Schon.« Mama umschloss Kristers Hand mit ihrer und drückte sie leicht. »Dieses Gespräch scheint jedoch ein sehr wichtiges zu sein. Jedenfalls kommt Papa heute erst ziemlich spät heim.«

4 zu 1
    Gleich nach dem Abendbrot machte ich mich bettfertig. Ich fand, einen Tag, an dem man seine beste Freundin verliert, ein neues Leben beginnt und der eigene Vater Dinge tut, die er sonst nie macht, sollte man nicht überstrapazieren. Und deshalb zog ich es vor, die letzten zwei bis drei Stunden, die mir noch bis zum Einschlafen blieben, möglichst ruhig und unspektakulär zu verbringen.
    Ich warf nicht einmal mehr einen Blick auf mein Handy, um mich zu vergewissern, ob Mariel mir nicht vielleicht doch noch eine Versöhnungs- SMS geschickt hatte, sondern verkrümelte mich unter die Bettdecke und schlug Laqua auf, einen Fantasy-Schmöker, der in Venedig spielte und den Mama mir letzte Woche aus der Bücherei mitgebracht hatte. Die Kapitel waren kurz, und die Geschichte fesselte mich, sodass ich schon nach kurzer Zeit alles um mich herum vergaß und in eine andere Welt mit alten Gemäuern, Lagunenstraßen und einem geheimnisvollen Gondoliere abtauchte.
    Als es an meine Tür klopfte, schreckte ich richtiggehend zusammen.
    Â»Ja?«, krähte ich und ließ das Buch sinken.
    Die Tür wurde geöffnet und meine Mutter schlüpfte ins Zimmer.
    Â»Ich wollte dir noch Gute Nacht sagen.«
    Â»Okay …« Erwartungsvoll sah ich sie an, denn ich spürte sofort, dass das nicht alles war.
    Mama drückte die Tür ins Schloss, huschte zu mir herüber und setzte sich auf die Bettkante. »Es tut mir leid, dass du Streit mit Mariel hast«, sagte sie. »Ich verstehe, dass das wehtut … Und ich verstehe auch, dass du nicht darüber reden willst …«
    Nicht einmal eine Sekunde später hing ich schluchzend in ihrem Arm.
    Mama streichelte mir über den Rücken und wiegte mich sanft hin und her. Sie sagte kein Wort, versuchte weder mich mit blöden Phrasen zu trösten noch mir irgendwelche Ratschläge zu geben, sondern hielt mich einfach nur fest.
    Â»Ich will Mariels Verhalten keinesfalls entschuldigen oder rechtfertigen«, meinte sie, nachdem ich mich ein wenig beruhigt hatte. »Aber sie scheint im Moment wirklich etwas durch den Wind zu sein. Birgitta hat mir erzählt, dass sie nach den Sommerferien unbedingt aufs Gymnasium wechseln will.«
    Â»Ts! Wieso das denn?«, entfuhr es mir, dabei konnte ich es mir nur zu gut denken. Arletta, Tiffany und Neomi gingen nämlich ebenfalls aufs Gymnasium. Das Problem war nur: »Dort hat sie G8!«
    Â»Das ist richtig«, bestätigte meine Mutter. »Sie müsste dort die sechste Klasse wiederholen. Oder einen Crashkurs in Französisch machen und von euren derzeitigen Lehrern die Empfehlung bekommen, einen Jahrgang zu überspringen.«
    Ich trocknete mir die Tränen an meinem Pyjamaärmel und tippte mir an die Schläfe. »Das schafft sie doch nie!«
    Mama strich mit sanfter Geste eine Strähne aus meiner Stirn und legte sie mir hinters Ohr. »Wir werden sehen«, meinte sie seufzend.
    Â»Also, ich mache das nicht«, sagte ich und ließ mich ins Kissen zurückfallen.
    Die Gesamtschule an der Elbroichstraße war zwar weiß Gott keine Eliteschule, aber ich mochte sie. Es gab tolle Lehrer dort und eine bunt gemischte Schülerschaft, die sich aus allen möglichen Nationalitäten zusammensetzte. Okay, es war nicht immer einfach, alle unter einen Hut zu kriegen, dafür wurde es aber auch nie langweilig. Außerdem hatte hier wirklich jeder eine Chance, selbst die, deren Eltern nicht bei den Schularbeiten helfen oder eine Nachhilfe bezahlen konnten, denn es gab für beinahe jedes Fach Förderkurse und in besonderen Härtefällen sogar eine individuelle Betreuung.
    Â»Ich wusste, dass du dich nicht unterkriegen lässt«, sagte meine Mutter und küsste mich lächelnd auf die Nasenspitze. »Ich bin sehr stolz auf dich, meine Große. Und ich hab dich irre, irre lieb.«
    Â»Und ich dich«, flüsterte ich und versank einen Moment lang im warmen Ausdruck ihrer großen blauen Augen, die zärtlich auf meinem Gesicht ruhten.
    Meine Augen waren auch groß, aber nicht blau, sondern von einem ungewöhnlich hellen Grün, womit ich in
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