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Philippas verkehrte Welt

Philippas verkehrte Welt

Titel: Philippas verkehrte Welt
Autoren: Patricia Schroeder
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Tja, und irgendwann zwischen halb zwölf und Mitternacht fielen mir die Augen zu, und dann wurde das Ohrenspitzen wohl so anstrengend, dass ich doch einschlief.

    Ein lautes Klirren, gefolgt von einem Aufschrei ließen mich hochfahren. Es war taghell in meinem Zimmer. Wolkentrübes Licht fiel durch das Dachfenster auf mich und meine Habseligkeiten herab und von nebenan drangen aufgeregte Stimmen durch die geschlossene Zimmertür.
    Mit einem Satz sprang ich aus dem Bett, mit dem nächsten stand ich in der Küche.
    Â»Limette hat die Obstschale runtergeschmissen«, nuschelte Josefine, die barfuß und in ihrem rosa Blumennachthemd auf einem Stuhl stand und an ihrem Kuschelmuschelhasen herumkaute.
    Ã„pfel und Orangen kullerten über den Fußboden, dazwischen lagen viele große und hunderttausend winzig kleine dunkelgrüne Glasscherben.
    Â»Du bleibst in deinem Zimmer!«, rief Mama mir zu. »Und du, Krister, wartest im Flur, bis wir die Scherben eingesammelt haben.«
    Â»Wie spät ist es eigentlich?«, fragte ich.
    Â»Ist doch egal«, sagte Josefine. Ihr hellblondes Haar war noch schlafzerzaust und der Blick aus ihren blauen Augen panisch auf den Boden gerichtet. Sie sah aus wie eine kleine wilde Hexe, die jeden Augenblick auf ihren Besen springen und zum Fenster hinaus verschwinden könnte.
    Â»Wir gehen heute sowieso nicht zur Schule«, erklärte Krister mir.
    Â»Und ich nicht in den Kindergarten«, ergänzte Josi.
    Â»Aha, und wieso nicht?«
    Â»Wegen Papaaa!«, krähten meine Geschwister im Duett.
    Â»Wo ist er überhaupt?«, fragte ich, krallte mich am Türrahmen fest und beugte mich so weit wie möglich in die Küche, damit ich den ganzen Raum überblicken konnte.
    Â»Er leert den Staubsaugerbeutel aus«, antwortete meine Mutter, die mittlerweile angefangen hatte, Äpfel und Orangen zur Seite zu legen und die größeren Scherben in eine Plastikschüssel zu sammeln.
    Limette saß zwischen Kühlschrank und Getränkekiste und sah ihr interessiert dabei zu.
    Â»Ich will nicht, dass er nachts arbeitet«, formulierte ich mein Anliegen, das ich eigentlich schon gestern Abend hatte vorbringen wollen. »Und ich will erst recht nicht, dass er in eine andere Stadt zieht oder in ein anderes Land.«
    Â»Willi! Willi! Willi!«, krakeelte Josefine und warf den Kuschelmuschelhasen hoch in die Luft.
    Krister sah mich erschrocken an. »Das will ich aber auch nicht!«
    Unterdessen landete der Kuschelmuschelhase in der Schüssel mit den Scherben.
    Â»Du bleibst da oben stehen!«, ermahnte Mama meine Schwester, die nun auf dem Stuhl herumstapfte und jaulend in Richtung Schüssel fuchtelte. »Ich will den Kuschimuschi zurück.«
    Â»Willi, Willi, Willi«, ertönte da die Stimme meines Vaters, der sich in diesem Moment mit dem Staubsauger aus dem kleinen Flur in die Küche zwängte. »Wenn überhaupt, dann ziehen wir alle zusammen weg.«
    Â»Waaas?«, brüllten Krister, Josi und ich wie aus einem Mund.
    Â»Darüber sprechen wir gleich«, sagte Mama, die schon ziemlich genervt aussah. »Sobald alle Splitter beseitigt sind.«

    Eine gute halbe Stunde später war es dann endlich so weit. Der kleine bunte Kuckuck in unserer Kuckucksuhr war gerade, nachdem er zehnmal »Kuckuck« gerufen hatte, wieder hinter seiner Tür verschwunden, und Mama, Papa, meine Geschwister und ich saßen ein wenig angespannt um den Küchentisch herum. Meine Mutter hatte uns noch rasch einen Kakao gekocht, doch keiner von uns wagte, ihn anzurühren, weil wir Angst hatten, womöglich etwas zu verpassen. Wie gebannt klebten unsere Blicke auf meinem Vater.
    Â»Also«, begann er zögernd. »Das Ganze ist eine ziemlich verrückte Geschichte. Und ja, es geht tatsächlich darum, ob wir von hier wegziehen oder nicht.«
    Â»Nein! Nein! Nein!«, riefen Josi, Krister und ich abermals wie aus einem Mund.
    Papa hob seine Hand und schüttelte lächelnd den Kopf. »Es ist ja schön, dass ihr euch so einig seid«, meinte er. »Bevor ihr euch entscheidet, solltet ihr allerdings erst einmal ganz in Ruhe zu Ende anhören, was ich euch zu berichten habe.«
    Â»Das finde ich auch«, sagte Mama und lächelte ebenfalls. »Wer weiß, vielleicht ändert ihr eure Meinung ja noch.«
    Das konnte ich mir nicht vorstellen. Zumindest nicht, was mich betraf. Ich mochte mein Zuhause, verdammt!
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